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Ein washechter Berliner

Im achso hippen Berlin gilt es ja nicht mehr als allzu hip, über Hipster zu lachen. Zu der Zeit, in der Beobachtungen über solche Szenemenschen noch „unique“ waren und der Trend nach dem Bionade-Biedermeier erst langsam als solcher erkannt wurde, gab es noch gar keinen Namen. Dann sprachen sie alle darüber, erst in Mitte, dann von Prenzlauer Berg bis Neukölln, und man musste sich fragen, ob es diese dann so genannten Hipster selbst waren, die sich hochstilisierten. Übergroße Fensterglasbrillen und Schals, neonfarbene Leggins von American Apparel, V-Ausschnitte bis zum Bauchnabel, T-Shirts mit ironischen und verwaschenen Aufdrucken, gürtelbreit abgeschnittene Jeans, you name it: Die modischen scheinbaren Fehlgriffe sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken, neuerdings gibt es sogar eine kritische Hipster-Vertretung. Eine Parallelgesellschaft schlägt zurück.

Einer von denen: Blogger und Buchautor Wash Echte auf seinem Twitter-Profilbild @washechte

Aber wenn es nur die Äußerlichkeiten wären: „Wahre ‚Hipster‘ würden sich selbst nie so nennen“, sagt Wash Echte. Und dieser Wash Echte, über den ich nur und neuerdings weiß, dass er ein 30-jähriger gebürtiger Europäer mit der Muttersprache Englisch ist, nach dreijährigem Studium in Hongkong 2003 nach Berlin zog, erst in eine WG in Prenzlauer Berg, dann nach Friedrichshain („Leider hat sich die Berliner Elite nach dem Prenzlberg ja Friedrichshain als nächstes Ziel ausgeguckt. Neukölln? Ist sowas von Mainstream. Da wohnen nur noch Anwälte und Zahnärzte. Wedding ist das neue Ding!„), und in einer Firma arbeitet, die mit Internet zu tun hat, er aber dort was „technisch/mathematisches“ und „nichts mit Webdesign“ macht, dieser Wash Echte also muss es wissen: Seit über einem Jahr bloggt er anonym über „Ze Elite Germans“ auf ichwerdeeinberliner.com. Jetzt ist das dazugehörige Buch mit 21 neuen Geschichten und in deutscher Sprache erschienen, und man kann und muss sich und ihm ein paar Fragen stellen. Zum Beispiel: Ist das Thema noch nicht durch? Ist anonymes Bloggen feige? Was hat Berlin-Mitte mit dem Rest von Deutschland zu tun? Für die zitty habe ich mit Wash Echte ein Chatinterview geführt, das ich an dieser Stelle fast ungeschnitten raushaue – und mich freue, endlich einen Grund zu haben, die gesammelten Hipsterlinks zu posten, die ich ja dann irgendwie doch immer lustig fand.

Herr Echte, warum wollen Sie anonym bleiben? Angst, verhauen zu werden?

Wash Echte: Das ist sicher ein Teil meiner Angst. Mit meinen dünnen Armen könnte ich mich nie verteidigen.

Weil Sie selbst ein Hipster sind?

Wenn ich das verneine, ist es das sichere Zeichen, dass ich einer bin, richtig? Also, ich habe bestimmt einige Interessen, die sich mit denen der sogenannten Hipster decken.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel, sich nur in einer Großstadt frei fühlen zu können. Deswegen nervt es mich ja so, dass die Berliner „Hipster“ ihre Viertel immer in kleine, enge Dörfer verwandeln, wo jeder jeden kennt, und jeder, der nicht ganz ins Schema passt, dumm angeglotzt wird. Das kann ich auch in Brightwell-cum-Sottwell oder Hoyerswerda haben. Ich glaube, die Berliner Elite hat im Grunde Angst vor echtem urbanem Pluralismus.

Warum sprechen Sie eigentlich ständig von einer „Elite“ als Synonym für die Hipster?

Weil ich das Wort Hipster nicht mag. Denn keiner von denen, die ich meine, würde sich da angesprochen fühlen. Es geht nicht um eine Schublade, auch nicht um bestimmte Moden oder Wohnorte, sondern um die Beschreibung einer elitären, aber mehr noch herablassenden Haltung gegenüber dem vermeintlich Konformen. Eine Haltung, die sich aber, ohne dass es ihre Protagonisten gemerkt haben, schon lange selbst in einen Konformismus, oder wenn man so will, Mainstream, verabschiedet hat.

Und wie sieht Ihr gängiges Klischee solcher Hipster beziehungsweise Eliten äußerlich aus?

Leute, die sich über eine unehrliche Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, Konzepten und Personen definieren, und die sich in einer Pseudoindividualität, die auf einem komplexen Regelwerk des Banalen beruht, wohl- und dem angeblichen Mainstream überlegen fühlen. Man kann es also nicht an Bärten, Schals, und Skinnyjeans festmachen…denn die könnten morgen passé sein, aber die Haltung ist immer noch da.

Die Hipster-Olimpiade, so 2007:

Wer hat versagt, wenn die Kinder zu „Hipstern“ werden? Ihre Eltern?

Nun, als Kind oder Heranwachsender unter Anderem auch mal in einer Hipsterphase zu sein, ist völlig normal und OK. Anlaß zur Satire geben eher die Erwachsenen, also sagen wir mal ab Mitte 20. 35-jährige Männer, die sich in Skinnyjeans zwängen, amüsieren mich. Aber in Mitte werden sie als Fashionistas bejubelt.

In Ihrem neuen, deutschsprachigen Buch zum englischsprachigen Blog „Ich werde ein Berliner“ schießen Sie neben „Hipstern“ auch gegen Hamburg, deutsche Filme und Yuppies generell. Ich muss das deshalb nochmal deutlicher fragen als zu Beginn: Sind Sie im echten Leben ein Feigling?

Sagen wir mal so, ich würde jedem Faustkampf sicher aus dem Weg gehen.

Würden Sie Ihren Lieblingshassobjekten denn Ihre Meinung ins Gesicht sagen? Oder tun es sogar?

Ich ziehe meine hippen Freunde gerne mit ihrem Hipsein auf, aber im echten Leben bin ich ein viel umgänglicherer Typ als die überzeichnete Figur „Wash Echte“. Im Grunde ist es mir ziemlich egal, was andere Leute treiben, was an sich auch wieder ein „Hipster-Ding“ ist.

Sie haben also eher ein journalistisches beziehungsweise schriftstellerisches Interesse am Thema?

Am Anfang stand sicher das Interesse, einfach durch das Aufschreiben der Dinge, die mir in Berlin auffallen und mich zunehmend zweifeln ließen, eine Art Karthasis zu finden. Sozusagen als Payback für das dumme Gelaber, und um mit mir selbst ins Reine zu kommen. Denn schließlich bin ich auch nicht ganz frei vom elitären Denken. Ich hatte privat nur mit Leuten zu tun, die sich und ihren Lifestyle sehr ernst nehmen und nicht über sich lachen konnten. Das lädt natürlich dazu ein, dass Andere das Lachen übernehmen.

Es drängt sich noch eine andere entscheidende Frage auf: Warum jetzt ein Buch über „Hipster“? Sind Sie damit nicht ein paar Jahre zu spät?

Nun, in Berlin sind die „Hipster“, wie alle Trends, ja auch ein paar Jahre „zu spät“ angekommen. Das heisst, ich müsste eigentlich ganz pünktlich sein.

Wo war der Trend denn davor? In Brooklyn?

Brooklyn, dann Shoreditch, dann Berlin. Ob er in Brooklyn angefangen hat, weiß ich nicht. Vielleicht nehmen wir einfach die erste Ausgab des Vice-Mags als Startpunkt.

Welche Stadt könnte als nächstes dran sein?

Ich habe leider keine Hipster-Glaskugel, aber, und jetzt werden sich die Berliner freuen, Berlin hat Paris sicher schon überholt. Mein Gefühl sagt mir, dass die Elite weiter nach Osten ziehen wird. St. Petersburg oder so. Am besten, Sie machen eine Umfrage unter skandinavischen Erstsemester-Kunststudenten. Die haben schließlich auch den Berlin-Hype gestartet.

Osten beziehungsweise da, wo es jetzt schon oder bald billiger sein wird als in Berlin.

Richtig. Aber die Stadt muss weltweit bekannt sein. Kein „Hipster“ hört als Antwort auf seinen neuen Wohnort gerne die Frage „WO wohnst du??“ Es muss ein Name mit Klang sein. So wie „Ich ziehe übrigens bald nach Moskau“…und die Antwort dann „ääächt? Woowww!“

Hipsters in Space:

Roger Boyes schrieb ausgiebig über „My Dear Krauts“; es gibt ein Buch namens „Look at this fucking Hipster“ von Joe Mande. Was erzählt uns Wash Echte Neues?

Nun, vor allem dass es eben nicht darum geht, den „Hipster“ zu veralbern. Sondern eine elitäre Haltung, die die sogenannten Hipster teilen. Es wäre Wash Echte zu einfach gewesen, nur das 200ste Buch über „Hipster“ zu schreiben. Davon abgesehen ist „Look at this f…king hipster“ doch ganz lustig gewesen. „Hipster“ ist ein Label, das sich abgenutzt hat. Aber die elitäre Haltung dahinter ist natürlich immer noch da.

Viele Ihrer genauen Beobachtungen in und aus Berlin, deren Wertung ja meist, Sie sagen es selbst, satirisch überzogen ist, projizieren Sie auf „Ze Germans“. Wie viel Deutschland ist denn Berlin?

Das ist eine gute Frage. Viele meiner Kritiker sagen immer „was du schreibst, trifft nur auf Berlin-Mitte zu, nicht auf ze Germans“. Nun, das ist zwar mir und Ihnen klar, aber fragen Sie mal die hippen jungen Menschen aus aller Welt, die für eine Woche, oder auch einen Monat nach Berlin kommen um zu feiern oder einfach in der „angesagtesten Stadt der Welt“ zu sein. Die fahren dann wieder nach Hause und erzählen alle, wie crazy und exzentrisch die „Germans“ doch alle sind. Klar, weil sie nie aus Berlin oder auch nur aus Mitte rausgekommen sind, und wenn, nur um eine Spritztour ins Karolinenviertel nach Hamburg zu machen. Diese naive Weltsicht und einen Mangel an echtem Interesse an Deutschland hat Wash Echte auch.

Mit dieser Selbstbeschreibung sind Sie natürlich fein raus und vor Kritik gefeit.

Nun, Kritik an Satire wird es immer schwer haben.

Darüberhinaus sind „Hipster“ ja auch selbst immer Zugezogene, wie Sie.

Aber diese Leute bestimmen zur Zeit das Image von Berlin. Vielleicht kann mein Blog/Buch ja dazu beitragen, dass die echten Berliner aus ihrer Apathie aufwachen.

Lautes mit Lautem bekämpfen?

Hört sich richtig an…

Letzte Frage: Was mögen Sie an Berlin am liebsten?

Das große Angebot an Kultur. Die neue und alte Nationalgalerie, das Pergamon-Museum, die Berliner Philharmonie oder alles andere, was man so erwarten würde. Langweilig, ich weiß. Wahrscheinlich hätte ich eher irgendwas mit „Street“ oder „Guerilla“ oder „Pop-up“ im Namen sagen sollen.

Nachtrag: Wash Echte hat übrigens, wie er zu Beginn des Interviews klarstellte, chatten lassen: Eine eingeweihte Freundin habe seine Antworten ins Deutsche übersetzt und getippt (was das von der Berliner Zeitung in Frage gestellte so perfekte Deutsch erklären dürfte)

10 Gedanken zu „Ein washechter Berliner

  1. Das Interview ist eine Punktlandung. Wenn mich jemand in Zukunft nach Hipstern fragt, werde ich ihm dieses Interview empfehlen. Besser und klarer kann man nicht beschreiben, was einen an diesen Narzisten so nervt. Bravo!

  2. „35-jährige Männer, die sich in Skinnyjeans zwängen, amüsieren mich. Aber in Mitte werden sie als Fashionistas bejubelt.“
    Das ist gnadenlos zugespitzt – aber deckt sich leider tendenziell mit meinen Beobachtugen.

  3. Der Tod jeder Kultur ist die Ironie. Wash Echte gehört dazu, benimmt sich also wie ein Schmarotzer.
    Ich habe nichts dagegen, wenn die ganzen Touristen, seien sie aus Deutschland oder sonst woher, in Berlin Party machen. Dann werden wir in unseren „Kleinstädten“ wenigstens in Ruhe gelassen…

  4. Daß ich dieses Buch nur empfehlen kann, liegt weder an der fundierten Recherche noch an der Abneigung zu Berlin Mitte. Ich habe schon begriffen, daß man im Leben immer etwas tauscht- bei mir waren es aufgehübschte Häuser gegen militante Rad- und Hundehalter, allerdings nicht nur der ganzen Stadt; das Problem ist global. Es gab schon immer Menschen- sogar Menschengruppen (die einen sagen so- die anderen so), die sich als was besseres sehen und auf alle anderen herabblicken. Das hat mit Überheblichkeit nicht mehr viel zu tun, die Geste ist unter dem Namen Rassismus weltweit bekannt. Wer längere Zeit in Rumänien, Ungarn der Slowakei oder innerhalb der letzten 8 Jahre im Westjordanland gewesen ist, versteht, glaube ich, was ich meine und auch, warum ich keine Namen nenne.
    Nein, ich glaube, daß Wash Echte einfach ein guter Beobachter ist und mit seiner gehörigen Portion Humor und der nicht mehr wegzudenkenden Guttenberg- Geste den Nagel auf den Kopf trifft. So müßig es ist, dies zu vertiefen, so liebenswürdig ist Berlin. Wenn es wirklich so einfältig ist, warum sind dann alle hier? Doch nicht wegen der Arbeitsplätze. Sondern weil es niemandem darum geht irgendwem was zu beweisen, sondern wegen der Party. Daß diese Party schon eine Weile geht, ist spätestens mit der Erfindung des Tonfilms belegt und weder der Krieg, noch die sogenannten Kommunisten (das glauben die Wessis immer noch!) haben etwas daran ändern können.
    Es ist aber doch so, daß Berlins Cafes (ob nun am Kollwitz, Falk- oder Helmholtzplatz) trotz Krise, Arbeitslosenquote usw nicht leerer werden. Ich nenne das Umverteilung und gut. Eine andere Frage ist, ob man mit 60 seinen pubertierenden Kindern gewachsen ist aber so ist das Leben.
    Und daß die grassierende Rücksichtslosigkeit nicht beim Namen genannt wird finde ich schlichtweg schade oder ignorant. Je nach Belieben.
    Aber: man kann nicht alles haben.

  5. Ich bin sehr spät dran, aber wollte doch DANKE!! für dieses tolle Interview sagen. Ich habe diese Woche das Buch von Wash Echte gelesen, danach seinen Namen in Google getippt, und diese Seite gefunden. Sehr interessant, und die Fragen die du gestellt hast, wären auch genau meine Fragen gewesen. Viele Grüße aus Neukölln. Bin übrigens angehende Anwältin ;-)

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