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Louis Hofmann im Interview: „Die Zeit verändern zu können, würde mir Angst machen“

Durch seine Hauptrolle im deutschen Netflix-Hit „Dark“ wurde Louis Hofmann weltbekannt. Vom 29. August 2019 an ist der 22-jährige Schauspieler als Musikstudent in „Prélude“ wieder im Kino zu sehen. Wir haben mit ihm im Interview über Leistungsdruck, seine eigene Band, die Möglichkeit des Zeitreisens und die finale Staffel „Dark“, die gerade gedreht wird, gesprochen.

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Listenwahn 2012: Die Filme des Jahres

Pünktlich zu den Oscars 2013 schließe auch ich endlich mit dem durchwachsenen Kinojahr 2012 ab. Hier meine Filme des Jahres 2012 – diesmal ohne zwingende Reihenfolge, weil mich nichts aus Hollywood oder sonst wo her nachhaltiger beeindruckte als 2011 zum Beispiel ein einziger Film aus Deutschland.

„Moonrise Kingdom“

Zwei Pfadfinderkinder in den Sechzigern, die Camp und Elternhaus entfliehen und wider gesellschaftlicher Erwartungshaltung ihre große Liebe leben wollen. Das rührende „Moonrise Kingdom“ von Wes Anderson und Roman Coppola wirkt in seiner Ästhetik und den altklugen Hauptfiguren wie Cap & Capper auf LSD. Und ist dank seines A-Casts – Bruce Willis als Inselcop, Edward Norton als unfähiger Pfadfinderleiter, Frances McDormand als sorgende Mutter und so weiter – unfassbar und herzzereißend komisch.

„The Perks Of Being A Wallflower“

Coming-Of-Age-Drama um einen Schuljungen namens Charlie, der als anfänglicher Einzelgänger lieber Bücher liest als sich möglichen Kumpels anzubiedern und später in Sam (Emma Watson) nicht nur seine beste Freundin, sondern auch die große Liebe findet. Rührende Verfilmung des Romans von Stephen Chbosky. Weil es ja jeder irgendwie selbst durch die Pubertät geschafft hat.

„Silver Linings“

Gemessen an den Jubelreden, die über „Silver Linings Playbook“ im Vorfeld verfasst wurden, ist der neue Film von David O. Russell eine kleine Enttäuschung. In Wahrheit aber ist die Geschichte über zwei vereinsamte, psychisch labile und gleichzeitig kerngesunde Menschen, die sich in ihren Gegensätzen anziehen – und sei es nur zum Tanzwettbwerb – natürlich doch eine rührende, weil man Pat (Bradley Cooper, der nicht nur Action und gut aussehen kann) und Tiffany (Jennifer Lawrence) in jeder Sekunde ihres angeknacksten Daseins glaubt. Und weil Robert deNiro als wettsüchtiger Vater für den nötigen Witz sorgt.

„Extrem laut und unglaublich nah“

Achtung, Kitschgefahr: Linda (Sandra Bullock) und ihr Sohn Oskar verlieren bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 Ehemann, Vater und Bezugsperson Thomas Schell (Tom Hanks). Um die gemeinsamen Momente zu konservieren und weil er an ein hinterlassenes Rätsel seines Vaters glaubt, begibt sich der elfjährige, hochbegabte und, nun ja, verhaltensauffällige Oskar auf eine märchenhafte Schnitzeljagd durch New York – und lernt dabei viele fremde Menschen, seine Familie und sich selbst kennen. „Extrem laut und unglaublich nah“ basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Jonathan Safran Foer. Und der ist ein Guter.

„The Avengers“

Hulk, etliche andere Superhelden, Robert Downey Jr. und Scarlett Johansson retten die Welt vor dem Untergang. Muss ich noch mehr sagen?

„Ted“

Ein Teddybär, der zum Leben erweckt wird und seinem besten Kumpel (Mark Wahlberg) fortan nicht mehr von der Seite weicht. Klingt nach Walt Disney, endet dank Regisseur, „Family Guy“-Erfinder und Oscar-Moderator Seth MacFarlane aber in einem politisch herrlich inkorrektem Buddymovie voller Drogen, Party und der Kehrseite des Ruhmes, in dem die Moral über Freundschaft, Frauen und Fans nicht zu kurz kommt.

„Drive“

Lange Kamerafahrten und schnelle Schnitte für dunkle Autonächte: Ryan Goslings namenloser Fahrer weiß, wie man Autos repariert, in ihnen durch Los Angeles heizt, mit diesem Talent krumme Dinger dreht, Frauen (Carey Mulligan) kennenlernt und sonst die Klappe hält. „Drive“ gewann nicht durch seine dünne Story oder etwaigen tiefen (oder irgendwelchen) Dialogen auf der Stelle Kultstatus, sondern durch sein unterkühltes Setting, in das Regisseur Nicolas Winding Refn den coolsten neuen Hollywoodstar der Stunde setzt. Soundtrack von Kavinsky inklusive. Wohl aber: In „Gangster Squad“ ist Gosling noch viel cooler.

„Shame“

Shooting Star Michael Fassbender neben dem Android David aus „Prometheus“ in seiner anderen großen Rolle im Kinojahr 2012. „Shame“ tut dem Zuschauer genauso weh wie dem Protagonisten Brandon seine krankhafte Sexsucht. Wenn Brandon nicht gerade Prostituierte, Zufallsbekanntschaften oder in Darkrooms fickt, masturbiert er – vor dem Spiegel, in der Dusche, auf der Arbeit – und denkt daran, wie er das eine oder das andere bald wieder tun muss. Auch seine Schwester (Carey Mulligan) erkennt: Echte Gefühle sind ihm fremd, er gibt sie vor, um überhaupt noch am gesellschaftlichen Miteinander teilnehmen zu können – und hat damit mit Fassbenders anderen Rollen, dem Android aus „Prometheus“, dann ja doch wieder Maßgebliches gemein.

„The Master“

Phillip Seymour Hofmann und Joaquin Phoenix als Meister und Schüler in einer Analogie zur Biografie von Scientology-Gründer Ron L. Hubbard. Nicht zuerst wegen Regisseur Paul Thomas Anderson oder der seltsam indifferenten Erzählweise sehenswert, sondern wegen eines Joaquin Phoenix, der in seiner Leinwandrückkehr nach seinem Mockausflug ins Rapgeschäft ein Schauspiel hinlegt, für das er eher einen Oscar verdient hätte als Denzel Washington und Bradley Cooper zusammen.

„Ralph reichts“

Der ausrangierte „Wreck-It-Ralph“ will nicht länger Bösewicht im gleichnamigen Videospiel sein. Aus der Rolle kommt er trotz Selbsthilfegruppe genau so wenig heraus wie aus der digitalen Welt – und findet am versöhnlichen Ende genauso seinen Platz wie die jungen und früher mal jungen Zuschauer Anspielungen auf andere Spielehelden.

„Liebe“

Leider nicht gesehen.

***
„Zero Dark Thirty“

Startete erst 2013 in den deutschen Kinos. Jessica Chastain als CIA-Agentin auf Bin Laden-Jagd und zwischen Job und Moral zerrissen. „Zero Dark Thirty“ von Kathryn Bigelow ist – verkürzt gesagt – ein bisschen wie „Homeland“ auf Spielfilmlänge. Und in seinem Plot dokumentarischer.

„Django Unchained“

Startete ebenfalls erst 2013 in den deutschen Kinos. Außerdem dürfte das ja der einzige Film sein, den wirklich jeder gesehen hat. Deshalb nur soviel: Christoph Waltz gefiel mir in seiner perfiden Subtilität als Nazi Hans Landa in „Inglourious Basterds“ noch viel besser als in seiner Rolle des Dr. King Schultz.

Auch gut war 2012: „Skyfall“, „Barbara“, „Rock Of Ages“, „Dark Shadows“, „Francine“, „Looper“, „Haywire“

Meine Serien und Alben des Jahres 2012 folgen. Irgendwann.

Noch acht Minuten, Dad

9/11-Kitsch, Fantasie und Familienfindung: Stephen Daldrys Bestseller-Adaption „Extrem laut und unglaublich nah“ lief auf der 62. Berlinale außer Konkurrenz

Oskar hat eine scheinbar unlösbare Aufgabe vor sich. Sein Vater, der Juwelier Thomas Schell, kam bei den Anschlägen am 11. September 2001 im World Trade Center ums Leben. Zwei Jahre nach dem „schlimmsten Tag“, wie Oskar ihn nennt, findet der zurückgezogene Neunjährige in Papas Kleiderschrank einen Schlüssel, aber keinen Hinweis darauf, in welches Schloss er passt. Und weil sein Dad nie etwas dem Zufall überließ und seinen Sohn schon zu Lebzeiten animierte, genauer hinzusehen („Wenn man glauben will, findet man Gründe dafür“), macht Oskar sich minutiös auf die Suche – nach dem Schlüsselloch, nach Vergangenheit, Gegenwart und nach der Lösung des letzten Rätsels seines Vaters, nach Fremden und Familie und somit am Ende auch nach sich selbst.

Extrem laut und unglaublich nah
Alt- und Jungstar: Max von Sydow und Thomas Horn in "Extrem laut und unglaublich nah"

„Extrem laut und unglaublich nah“ bemüht sich, das Innenleben von Oskar Schell vor und nach seinem persönlichen 9/11 zu sezieren. In Rückblicken lernt der Zuschauer etwa, dass Oskar schon vor dem Tag, an dem sein Vater starb, ein Schisser war, dem selbst die Schaukel im Central Park zu gefährlich ist. Jetzt, auf seiner Suche quer durch New York, erzählt der Junge einer fremden Frau, dass er mal auf Asperger-Syndrom getestet worden wäre und begegnet neuen irdischen Ängsten; Zügen, U-Bahnen, Brücken, Hochhäusern, alten Menschen, zum Beispiel. Er gibt nicht auf, alles muss schließlich einen Sinn ergeben, findet er. Aber es gibt, so mahnt ihn seine verzweifelte Mutter in einer der bewegendsten Szenen unter Tränen, nichts Sinnloseres als den Tod seines Vaters und all der anderen Menschen, weil ein anderer Mann in ein Hochhaus geflogen sei. Das erkennt Oskar freilich nicht, sein Motiv indes selbst am besten: „Wenn die Sonne plötzlich nicht mehr wäre, wäre die Welt noch acht Minuten heil“, sagt er im Verlauf seiner Suche, weil es noch acht Minuten dauern würde, bis ihr Licht die Erde nicht mehr erreicht. Diese acht Minuten will er sich seinen Dad mindestens bewahren. Vielleicht ja auch für immer.

Die Romanvorlage zu „Extrem laut und unglaublich nah“ von Bestsellerautor Jonathan Safran Foer galt wie so viele Bestseller als unverfilmbar, weil Foer ein so unkonventioneller Erzähler ist und sich Bildern, Briefen, Illustrationen und Oskars Gedanken bediente. Regisseur Stephen Daldry („Billy Elliot“, „Der Vorleser“) ist es mithilfe seines Ensembles dennoch gelungen, aus der komplexen Geschichte einen zweistündigen und recht konventionellen Kinofilm zu drehen, der gleichzeitig Drama, Liebesfilm, Märchen, Fantasie und Generationsporträt ist, ohne jemals in ein Extrem abzudriften. Der vielversprechende Hauptdarsteller Thomas Horn sieht in seiner allerersten Rolle aus wie ein sehr junger Elijah Wood, allein mehr Kindlichkeit als Maskerade hätte ihm hier noch besser zu Gesicht gestanden. Max von Sydow brilliert als Großmutters Untermieter, dem es seit seiner Flucht aus dem Dresden des Zweiten Weltkriegs die Sprache verschlagen hat. Und die Besetzung von Sandra Bullock und Tom Hanks als Oskars Eltern hätte mehr Kitschmomente hergegeben, als Daldry sie zulässt. Am Ende sind es trotzdem Bullock und die nach Tränendrüsen geifernden letzten 30 Minuten, die aus einem überkandidelten Blockbusterversuch ein rührendes Familien- und Sozialdrama machen. Dessen Romanvorlage danach noch mehr herzugeben verspricht.

(erschienen bei: teleschau, 10. Februar 2012)

Listenwahn 2011: Die Filme des Jahres

Wegen der schönen Tradition der Jahresbestenlisten: meine Lieblingsfilme 2011. Lassen Sie sich von der Blockbuster-Dichte bitte nicht abschrecken.

1. „Halt auf freier Strecke“

Weil ich nach „In einem Land vor unserer Zeit“ wieder im Kino weinen musste. Mittags um 12.

2. „Melancholia“

Ein paar Fragen, die sich da stellen: Ist Lars von Triers apokalyptischer Zwei-Akter „Melancholia“ ein Lehrstück in Optimismus oder Pessimismus? Lohnt sich etwas so Irdisches, Zwischenmenschliches, Konformes wie eine Hochzeit nicht mehr, wenn man weiß, dass die Erde untergeht? Oder dann erst recht? Selbst Jack Bauer kapituliert.

3. „The Future“

Es geht um eine Katze. Und um zwei Thirtysomethings, die sich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens in der Richtungslosigkeit ihrer eigenen Generation verlieren. Und um eine Katze.

4. „Beginners“

In Melanie Laurent könnte man sich hier auf der Stelle verknallen. Das bemerkt auch Ewan McGregor, obwohl sein Vater (Christopher Plummer) nach dem Tod seiner Frau als 70-Jähriger sein Coming Out feiert und vorgibt, andere Vorstellungen von der Liebe zu haben.

5. „The King’s Speech“

Merke: Royals sind auch nur Menschen. Colin Firth als stotternder Herzog Albert und späterer König ist einer von ihnen. Und Geoffrey Rush ein Oscar-reifer Schelm.

6. „Black Swan“

Ballerina bis auf’s Blut: Wie Natalie Portman den weißen und den schwarzen Schwan spielt und vor lauter Wahn so wenig wie der Zuschauer weiß, was passiert ist und was nicht, grenzt an tatsächliche Selbstzerstörung. Und an einen Horrorfilm.

7. „Biutiful“

Javier Bardem ist eine arme Sau im aristotelischsten Sinne. Und Barcelona der Vorhof zur Hölle.

8. „Submarine“

Schon die Romanvorlage „Ich, Oliver Tate“ („Submarine“ im englischen Originaltitel) von Joe Dunthorne machte deshalb Spaß, weil im Leben des Ich-Erzählers außer der ganz normalen Pubertätswirrungen eigentlich nicht viel passierte. Diese Welt wird in „Submarine“ kunterbunt, liebevoll, tragikomisch und sehr britisch in Szene gesetzt. Die wunderbaren Leistungen des Ensembles um Newcomer Craig Roberts, der so aussieht wie Alex Turner von den Arctic Monkeys, sowie die Soundtrack-Songs von Alex Turner von den Arctic Monkeys tun ihr Übriges.

9. „The Ides Of March“

Neben „Margin Call“ das vielleicht gelungenste Blockbusterporträt über Männer an der Macht. Auch die Guten sind die Bösen. George Clooney muss als demokratischer Präsidentschaftskandidat-Kandidat scheinbar einsehen, dass es kein richtiges Leben im Falschen gibt, dass Idealismus eine Farce ist und das Bauern geopfert werden müssen. Aber in Wahrheit hatte er das schon vorher gemerkt. Und die eigentliche Hauptrolle spielt hier vom Anfang bis zum Schluss Shooting Star Ryan Gosling in seiner letzten großen Rolle, bevor er die ganz großen Rollen bekommt.

10. „One Day“

Nein, die auf einem Bestseller von David Nicholls basierende Liebesschnulze „One Day“ ist kein guter Film, und eigentlich müsste hier „Margin Call“, „Cheyenne“, „The Fighter“, „Sherlock Holmes 2“ oder „Midnight in Paris“ stehen. Aber „One Day“ ist eine melodramatische Schnulze, die mich mit ihrer kitschigen Botschaft („Alles kann sofort vorbei sein“, „Schätze, was Du hast“, „Unter der Oberfläche und im Leben und Sterben sind alle Menschen gleich“ und so weiter, bah) wider besseren Wissens nach einer wirklich schlechten ersten Stunde offenbar gekriegt hat. Gestehe ich.

Listenwahn 2010: Die Filme des Jahres

Nach den Alben des Jahres folgen nun die Kinohighlights 2010. Und bevor jemand wegen all diesen im Nachhinein auffällig vielen kaputten männlichen Hauptrollen nachfragt: Mir geht es gut, danke!

1. „Banksy – Exit Through The Gift Shop“

2. „A Serious Man“

3. „Crazy Heart“

4. „En Ganske Snill Mann“ („Ein Mann von Welt“)

5. „The Road“

6. „The Other Guys“

7. „The Ghostwriter“

8. „Inception“

9. „Somewhere“

10. „The Social Network“

Honorable mention:

„Ein Sommer in New York – The Visitor“

(Ehrennennung außer Konkurrenz: „The Visitor“ lief in den USA schon 2007 an und ging im Januar 2010 in Deutschland deshalb unter)


Nur zur Besuch

Stiller Protest: In seinem wunderbaren Zweitwerk „Ein Sommer in New York“ erzählt Regisseur Tom McCarthy die Geschichte eines verwitweten Professors, der seine Freude am Leben wiederfindet – und von der US-amerikanischen Einwanderungspolitik nach 9/11

Connecticut, USA, ein paar Jahre nach 9/11: Seit dem Tod seiner Frau ist der verdiente Wirtschaftsprofessor Walter Vale (Richard Jenkins) seines Lebens müde. Er stellt die immergleichen Klausuren, ist ein hoffnungsloser Klavierschüler, gibt vor, ein Buch zu schreiben und scheut jeden unnötigen Kontakt. Seine Karriere ist nur noch eine Fassade, hinter der er sich und seine Lethargie zu verstecken sucht – bis er als Co-Autor eines Essays nach New York muss, um einen Vortrag zu halten. In seinem von ihm lange nicht mehr besuchten Appartement überrascht Vale die Einwanderer Tarek aus Syrien (Haaz Sleiman) und Zainab (Danai Gurira) aus Senegal, die dort in seiner Abwesenheit einen Platz gefunden haben. Vale überwindet seine Misanthropie und nimmt die Flüchtlinge bei sich auf. Von diesen Besuchen also, von Tarek und Zainab als Gäste bei Walter Vale und in den USA und vom Besuch Walters in seinem Appartement und bei sich selbst erzählt Tom McCarthys wunderbares Zweitwerk „Ein Sommer in New York – The Visitor“.

Trommeln macht Spaß: Walter Vale (Richard Jenkins) lernt von Tarek (Haaz Sleiman)
Im amerikanischen Original, das in den USA bereits 2007 Premiere feierte, heißt „Ein Sommer in New York – The Visitor“ lediglich „The Visitor“. Dieser schlichte Titel trifft die Essenz dieses auf leisen Sohlen tretenden Sozialdramas besser als der deutsche, weil „The Visitor“ seine Schauplätze andeutet und ohne Fingerzeig funktioniert. Natürlich äußert Regisseur McCarthy, wenn Tarek wegen seiner Hautfarbe in der Metro festgenommen wird und wegen eines fehlenden Visas abgeschoben werden soll, Kritik an der Willkür und Rigorosität der US-Einwanderungspolitik. Aber die Besuchsszenen im Auffanglager in Queens, in denen Tarek gefängnisgleiche Zustände erlebt, gehören mit Abstand zu den lautesten eines sonst so stillen Protestfilms: Die Zeit des Settings wird allein durch ein Schild mit der Aufschrift „Support Our Troops!“, an dem Walter auf dem Weg zum College vorbeifährt, abgesteckt. Wenn der anzugtragende Walter Vale Gefallen am Spiel mit Tareks Djembe findet, spürt der Zuschauer mit jedem Trommelschlag, wie dieser auch dem verwitweten Walter neues Leben einhaucht. Und auch die Annäherung zwischen Walter und Tareks Mutter Mouna (Hiam Abbas), die aus Sorge um ihren Sohn nach New York reist, bleibt eine vorsichtige.

„Ein Sommer in New York – The Visitor“ aber berührt nicht nur als Eingeständnis an die Zweisamkeit und durch seine austarierten Details, sondern durch sein kleines Ensemble: Haaz Sleiman spielte bislang in „24“ oder „American Dreamz“ den Klischee-Terroristen und blüht in seiner Rolle als aufrichtiger Tarek entsprechend auf. Und Richard Jenkins („Burn After Reading“, „Six Feet Under“) wurde für seine Hauptrolle als Walter Vale für einen Oscar nominiert. Gewonnen hat er ihn nicht, aber auch das will zu der Geschichte seines Charakters passen: Soviel Wendung bedarf es eines Lebens gar nicht. Es sind die kleinen Dinge, die einen Unterschied machen. Wenn man sie lässt.

„Ein Sommer in New York – The Visitor“
(Pandastorm Pictures/Central Film)
USA 2007
Regie: Tom McCarthy
mit: Richard Jenkins, Haaz Sleiman, Hiam Abass, Danai Gurira u.a.


(erschienen auf: BRASH.de, 14. Januar 2010)