Listenwahn 2012: Die Filme des Jahres

Pünktlich zu den Oscars 2013 schließe auch ich endlich mit dem durchwachsenen Kinojahr 2012 ab. Hier meine Filme des Jahres 2012 – diesmal ohne zwingende Reihenfolge, weil mich nichts aus Hollywood oder sonst wo her nachhaltiger beeindruckte als 2011 zum Beispiel ein einziger Film aus Deutschland.

„Moonrise Kingdom“

Zwei Pfadfinderkinder in den Sechzigern, die Camp und Elternhaus entfliehen und wider gesellschaftlicher Erwartungshaltung ihre große Liebe leben wollen. Das rührende „Moonrise Kingdom“ von Wes Anderson und Roman Coppola wirkt in seiner Ästhetik und den altklugen Hauptfiguren wie Cap & Capper auf LSD. Und ist dank seines A-Casts – Bruce Willis als Inselcop, Edward Norton als unfähiger Pfadfinderleiter, Frances McDormand als sorgende Mutter und so weiter – unfassbar und herzzereißend komisch.

„The Perks Of Being A Wallflower“

Coming-Of-Age-Drama um einen Schuljungen namens Charlie, der als anfänglicher Einzelgänger lieber Bücher liest als sich möglichen Kumpels anzubiedern und später in Sam (Emma Watson) nicht nur seine beste Freundin, sondern auch die große Liebe findet. Rührende Verfilmung des Romans von Stephen Chbosky. Weil es ja jeder irgendwie selbst durch die Pubertät geschafft hat.

„Silver Linings“

Gemessen an den Jubelreden, die über „Silver Linings Playbook“ im Vorfeld verfasst wurden, ist der neue Film von David O. Russell eine kleine Enttäuschung. In Wahrheit aber ist die Geschichte über zwei vereinsamte, psychisch labile und gleichzeitig kerngesunde Menschen, die sich in ihren Gegensätzen anziehen – und sei es nur zum Tanzwettbwerb – natürlich doch eine rührende, weil man Pat (Bradley Cooper, der nicht nur Action und gut aussehen kann) und Tiffany (Jennifer Lawrence) in jeder Sekunde ihres angeknacksten Daseins glaubt. Und weil Robert deNiro als wettsüchtiger Vater für den nötigen Witz sorgt.

„Extrem laut und unglaublich nah“

Achtung, Kitschgefahr: Linda (Sandra Bullock) und ihr Sohn Oskar verlieren bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 Ehemann, Vater und Bezugsperson Thomas Schell (Tom Hanks). Um die gemeinsamen Momente zu konservieren und weil er an ein hinterlassenes Rätsel seines Vaters glaubt, begibt sich der elfjährige, hochbegabte und, nun ja, verhaltensauffällige Oskar auf eine märchenhafte Schnitzeljagd durch New York – und lernt dabei viele fremde Menschen, seine Familie und sich selbst kennen. „Extrem laut und unglaublich nah“ basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Jonathan Safran Foer. Und der ist ein Guter.

„The Avengers“

Hulk, etliche andere Superhelden, Robert Downey Jr. und Scarlett Johansson retten die Welt vor dem Untergang. Muss ich noch mehr sagen?

„Ted“

Ein Teddybär, der zum Leben erweckt wird und seinem besten Kumpel (Mark Wahlberg) fortan nicht mehr von der Seite weicht. Klingt nach Walt Disney, endet dank Regisseur, „Family Guy“-Erfinder und Oscar-Moderator Seth MacFarlane aber in einem politisch herrlich inkorrektem Buddymovie voller Drogen, Party und der Kehrseite des Ruhmes, in dem die Moral über Freundschaft, Frauen und Fans nicht zu kurz kommt.

„Drive“

Lange Kamerafahrten und schnelle Schnitte für dunkle Autonächte: Ryan Goslings namenloser Fahrer weiß, wie man Autos repariert, in ihnen durch Los Angeles heizt, mit diesem Talent krumme Dinger dreht, Frauen (Carey Mulligan) kennenlernt und sonst die Klappe hält. „Drive“ gewann nicht durch seine dünne Story oder etwaigen tiefen (oder irgendwelchen) Dialogen auf der Stelle Kultstatus, sondern durch sein unterkühltes Setting, in das Regisseur Nicolas Winding Refn den coolsten neuen Hollywoodstar der Stunde setzt. Soundtrack von Kavinsky inklusive. Wohl aber: In „Gangster Squad“ ist Gosling noch viel cooler.

„Shame“

Shooting Star Michael Fassbender neben dem Android David aus „Prometheus“ in seiner anderen großen Rolle im Kinojahr 2012. „Shame“ tut dem Zuschauer genauso weh wie dem Protagonisten Brandon seine krankhafte Sexsucht. Wenn Brandon nicht gerade Prostituierte, Zufallsbekanntschaften oder in Darkrooms fickt, masturbiert er – vor dem Spiegel, in der Dusche, auf der Arbeit – und denkt daran, wie er das eine oder das andere bald wieder tun muss. Auch seine Schwester (Carey Mulligan) erkennt: Echte Gefühle sind ihm fremd, er gibt sie vor, um überhaupt noch am gesellschaftlichen Miteinander teilnehmen zu können – und hat damit mit Fassbenders anderen Rollen, dem Android aus „Prometheus“, dann ja doch wieder Maßgebliches gemein.

„The Master“

Phillip Seymour Hofmann und Joaquin Phoenix als Meister und Schüler in einer Analogie zur Biografie von Scientology-Gründer Ron L. Hubbard. Nicht zuerst wegen Regisseur Paul Thomas Anderson oder der seltsam indifferenten Erzählweise sehenswert, sondern wegen eines Joaquin Phoenix, der in seiner Leinwandrückkehr nach seinem Mockausflug ins Rapgeschäft ein Schauspiel hinlegt, für das er eher einen Oscar verdient hätte als Denzel Washington und Bradley Cooper zusammen.

„Ralph reichts“

Der ausrangierte „Wreck-It-Ralph“ will nicht länger Bösewicht im gleichnamigen Videospiel sein. Aus der Rolle kommt er trotz Selbsthilfegruppe genau so wenig heraus wie aus der digitalen Welt – und findet am versöhnlichen Ende genauso seinen Platz wie die jungen und früher mal jungen Zuschauer Anspielungen auf andere Spielehelden.

„Liebe“

Leider nicht gesehen.

***
„Zero Dark Thirty“

Startete erst 2013 in den deutschen Kinos. Jessica Chastain als CIA-Agentin auf Bin Laden-Jagd und zwischen Job und Moral zerrissen. „Zero Dark Thirty“ von Kathryn Bigelow ist – verkürzt gesagt – ein bisschen wie „Homeland“ auf Spielfilmlänge. Und in seinem Plot dokumentarischer.

„Django Unchained“

Startete ebenfalls erst 2013 in den deutschen Kinos. Außerdem dürfte das ja der einzige Film sein, den wirklich jeder gesehen hat. Deshalb nur soviel: Christoph Waltz gefiel mir in seiner perfiden Subtilität als Nazi Hans Landa in „Inglourious Basterds“ noch viel besser als in seiner Rolle des Dr. King Schultz.

Auch gut war 2012: „Skyfall“, „Barbara“, „Rock Of Ages“, „Dark Shadows“, „Francine“, „Looper“, „Haywire“

Meine Serien und Alben des Jahres 2012 folgen. Irgendwann.

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