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Listenwahn 2011: Die Serien des Jahres

Bevor auch 2012 Geschichte ist: Hier, nach den Filmen des Jahres, meine Serien des Jahres 2011. Nehmt das, Deadlines!

1. „Dexter“

Ein Vater, der bei der Mordkommission Miami Mordschauplätze analysiert und in seiner Freizeit selbst ein Serienmörder ist – Hölle, ja! In der sechsten Staffel holten die Macher zum biblischen Rundumschlag aus: Dexter Morgan, seine ewig fluchende und zur Abteilungsleiterin aufgestiegene Schwester Deborah und der Rest des Teams jagen den oder die Doomsday Killer, der/die seine/ihre Taten durch Gott rechtfertigt/-en und mit Bibelstellen belegt/-en – während Dexter auf persönliche Rachefeldzüge geht und sich mit seiner Manie arrangiert. Blut, Präzision, Humor, eine Sympathie für das Gute im Bösen und vice versa – und ein Cliffhanger, der Dexter sein bisheriges Leben kosten könnte.

2. „Breaking Bad“

Der krebskranke Chemielehrer und Familienvater Walter White steigt in der vierten Staffel endgültig zum Drogenbaron auf und geht über Leichen. Ähnliche Charakteridee wie bei „Dexter“: ein Mann führt ein Doppelleben zwischen Gut und Böse. White ist ein tragischer Held. Ein Held, der erst nicht anders kann – und irgendwann nicht anders will. Großartiges Kino in Serienform.

3. „Modern Family“

Ed O’Neill als Sitcom-Patriarch. Da war doch was? Statt sich eierkraulend auf der Couch von seinem Job als Schuhverkäufer zu erholen, spielt der ewige Al Bundy zwölf Jahre nach dem Ende von „Eine schrecklich nette Familie“ Jay Pritchett, zurückgenommenes Oberhaupt und Bindeglied einer liebenswürdigen Patchworkfamilie, wie sie im ach so modernen Drehbuche steht. Da wären zum Beispiel seine Tochter aus erster Ehe, Claire, deren Mann Phil Dunphy seinen drei Kindern Haley, Alex und Luke der coole Dad sein will, der er nicht ist. Oder Claires Bruder Mitchell, der mit seinem Freund Cameron die kleine Lily aus Vietnam adoptiert hat. Oder Pritchetts zweite Frau, die leidenschaftliche Kolumbianerin Gloria (Sofia Vergara), deren 13-jähriger Sohn Manny aus erster Ehe sehr altklug und in seine zwei Jahre ältere Stiefnichte Haley verliebt ist. Alles im Mockumentary-Stil gedreht, man bekommt also alle Selbst- und Fremdwahrnehmungen der Charaktere ungeniert mit. Einerseits ein Heidenspaß, der andererseits oft leider noch viel zu brav bleibt – und auf ABC letztes Jahr in die dritte Staffel ging.

4. „Sherlock“

Messerscharfe BBC-Kurzserie, die Arthur Conan Doyles Klassiker mehr noch in die Gadget-Gegenwart holt, als es Steampunk Guy Ritchie tat. Mit einem Benedict Cumberbatch, der an der Seite von Martin Freeman als Dr. Watson den arschcoolsten und neben der Spur stehendsten Sherlock Holmes seit… naja, seit Robert Downey Jr. spielt.

5. „The Big Bang Theory“

Vier Nerds und ein Mädchen. Ein blondes Dummchen und vier schlecht angezogene Uni-Wissenschaftler mit Vorlieben für Comics und Star Wars und entsprechenden Schwächen im Sozialen. Eigentlich Stoff für flachen Stereotypen-Humor und für eine Kalauer-Sitcom. Aber wie clever die geschrieben ist! Und was für ein arroganter, überzogener und untragbarer Soziopath dieser Dr. Sheldon Cooper (Jim Parsons) sein kann! Nur als Kommentar auf die klägliche Geek-Debatte unter deutschen (Interims-)Chefredakteuren funktionieren die fünf Staffeln, ihr Erfolg und ihre Beliebtheit freilich nicht, „The Big Bang Theory“ war schließlich vorher da. Bazinga.

6. „Stromberg“

Deutschlands angeblich fiesester Chef war zurück und bekam die Schadensregulierung in der Capitol-Versicherung trotz Frauen- und Ausländerquoten sowie dem üblichen Mobbing noch immer nicht in den Griff. Ulf kann keine Kinder machen, Stromberg will keine haben und der Charakter von Ernie ist leider diesmal ein so maßlos Überzogener, dass bei ihm kaum noch das bisherige „Stromberg“-Erfolgsargument gelten kann, dass es in deutschen Büros und unter deutschen Beamten tatsächlich ähnlich zuginge. Trotzdem und obwohl es immer noch nur eine Kopie des britischen Originals „The Office“ ist, ist „Stromberg“ immer noch ein Leuchtturm in der irrlichternden deutschen Comedy.

7. „Walking Dead“

Bisher sechsteilige Serienadaption der legendären Comicvorlage. Beginnt unspektakulärer als ihr Ruf: Bei einem Routine-Einsatz geraten die befreundeten Cops Rick Grimes und Shane Walsh in einen Schusswechsel. Als Grimes (Andrew Lincoln) Tage später im Krankenhaus aufwacht, findet er nichts als verwelkte Blumen und Untote, die nach ihm lechzen. Der einsame Cowboy macht sich auf die Suche nach seiner Familie und anderen Überlebenden und reitet bei seinem Streifzug durch die Gegend um Atlanta über Leichen (wenn sie nicht schon welche wären). „The Walking Dead“ ist bis dahin nicht viel mehr als eine weitere, wenn auch toll gedrehte „Zombies im Kaufhaus“-Version, gewinnt aber an Tiefe und Fahrt durch das soziale Gefüge derer, die noch nicht gebissen wurden – einem kleinen Panoptikum der Klischees und Legenden einer us-amerikanischen Gesellschaft.

8. „Der Tatortreiniger“

Strombergs Ernie-Darsteller Bjarne Mädel als grundsolider Malocher von der „SpuBe“, der Spurenbeseitigung. Trifft bei Tatortreinigungen Hinterbliebene der Opfer und führt mit ihnen zwischen Blut und unfreiwilliger Bekanntschaft philosophische Gespräche über den Sinn des Lebens, ohne es zu wissen. Intelligent, kurzweilig und Grimme-Preis-verdächtig. Müsste wegen des NDR-Programmfiaskos eigentlich erst nächstes Jahr auf dieser Liste stehen. Steht aber alles drüben bei Stefan Niggemeier.

9. „True Blood“

Ach, bitte, liebe „True Blood“-Macher: Kommt wieder runter auf den Boden der fantastischen Kerngeschichten, für die man Euren Serienquatsch immer so gerne sah. Eine Vampir-Opposition, die sich im fiktiven Örtchen Bon Temps in Louisiana wider ihrer Natur und dank des Blutersatz „True Blood““ eine friedliche Koexistenz mit den Menschen aufbauen will; ein sogenannter White Trash, der das Vampirblut „V“ als Kultdroge entdeckt; Barbesitzer, die sich in Hunde und andere Tiere aus der Umgebung verwandeln können; eine blonde Kellner-Zicke, die von dem anfangs so noblen Bill Compton (Stephen Moyer) und dem so eiskalten Eric Northman (Alexander Skarsgård) mindestens sexuell umgarnt wird und selbst unbekannte Kräfte in sich trägt; ihr Bruder, der erst nur ficken und dann Läuterung in einer reaktionären Sekte finden will; Hexen, Medien, Homosexuelle und Politiker – die Serienadaption der Sookie Stackhouse-Romane funktionierte hervorragend als Gesellschaftskommentar („Alle sind gierig, alle sind anders“) auf der zweiten und als Out Of The Box-Vampir-Action voller Sex und Blut auf der ersten Ebene. In der vierten Staffel aber wird dem gemeinen Zuschauer vor lauter unlogischer Wendungen, Wiederkehren, Endzeitalbernheiten und Gefühlsduseleien schwindelig und lässt am Ende nur noch hoffen, dass die kommende fünfte Staffel sich besinnt oder die letzte sein wird.

10. „V – Die Besucher“

Das 2009-Remake des Serienklassikers von 1983 lief im Sommer auf Pro7, zwei Jahre davor auf ABC und wurde nach nur zwei Staffeln vorzeitig abgesetzt – gerade dann, als es endlich spannend wurde. Die Moral nämlich, dass Diktaturen immer wieder passieren können, dass das Fremde in Wahrheit unter und in uns lebt und dass Rassismus an jeder Ecke herrscht sowie der schrecklich stumpfe Charakter von Agentin Erica Evans in der Hauptrolle („Lost“-Star Elizabeth Mitchell) kam mit dem Weltraumhammer, Logik- und Handlungslücken inklusive. Immerhin war die spätere „Homeland“-Darstellerin Morena Baccarin als Anna schon eine ziemlich attraktive Aliendiktatorin, während ihre Metamorphosen sowie ein angeheuerter Auftragskiller und ein ballernder Priester mit Gewissensbissen für Popcorn-Action sorgten – so fern die denn im Produktionsbudget drin war. Und so komme ich auf zehn Serien. Bis zum nächsten Jahr.

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