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Wissenschaft im Teufelskreis

Wenn der Steuerzahler zweimal zahlt: Wollen Berliner Universitätsbibliotheken mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschungsergebnisse bereitstellen, müssen sie die Publikationen von Fachverlagen zurückkaufen – mit öffentlichen Geldern. Open Access könnte eine Lösung des Problems sein. (mehr …)

Ein Marktplatz für Musikbooking

Aus der zitty-Serie “Berliner Internet-Start-ups”: Wie gigmit Künstler, Clubs und Veranstalter an einen virtuellen Booking-Tisch bringen will

Die Begrüßung beginnt mit einer Beleidigung. „Fuck Off Bookingstress“ steht auf den Kärtchen, die Marcus Rüssel mit seinen Visitenkarten verteilt. Rüssel ist Gründer und Geschäftsführer von gigmit, einem Start-up, das „Booking Delight“ für Veranstalter und Clubs verspricht. Und die Ansage ist eine klare, die auch die Motivation hinter gigmit auf den Punkt bringt: Wenn der Livemarkt der einzige ist, an dem Musiker heute noch mitverdienen, dann müssen die Buchungsmechanismen für alle Beteiligten einfacher funktionieren als bisher.

gigmit
Könnten den guten alten Bookingagenten am Ende doch überflüssig machen: Marcus Rüssel (3. v. r.) und das Team von gigmit

Die Idee zu gigmit hatte Rüssel erst letzten Sommer. Als Booker, Künstlerberater (u.a. Clueso), Konzert- und Partyveranstalter arbeitete der 27-jährige Dresdner neben seinem Kulturmanagement-Studium schon länger, aber als ihn Freunde baten, ihnen für ein Festival in Thüringen innerhalb von einem Tag Ersatz für einen abgesprungenen Headliner zu organisieren, stieß er bald an seine Grenzen. 125 Leute habe er angerufen, schließlich eine passende Band aufgetrieben, die Lust und Zeit hatte und ins Festivalbudget passte – und danach viele Gespräche geführt, wie man diesen Prozess nachhaltig optimieren könne und müsse. Gute und spielwillige Bands gibt es schließlich genug da draußen, suchende Veranstalter auch, man muss sie eben bloß an einen Tisch bringen.

Das vielversprechende Ergebnis heißt gigmit, versteht sich als transparenter Marktplatz für Musikbooking im Netz und geht im September mit seiner ersten Alpha-Version online. Es funktioniert im Grunde wie MySpace für Geschäftstreibende und hat von der Statik und Unübersichtlichkeit von Konkurrenten wie Sonicbids.com gelernt: Bands legen standardisierte Profilseiten an, die ihre anderen Social Media-Auftritte in einem geschützten Bereich aggregieren und auf denen sie außer Fotos, Musikrichtung und Hörproben zum Beispiel angeben, zu welcher ungefähren Gage sie wo, wann und unter welchen Voraussetzungen auftreten. Veranstalter, etwa von einem Festival, finden Vorschläge und Suchergebnisse, und für jeden zustande gekommenen Vertrag verdient gigmit acht Prozent Vermittlungsprovision und kümmert sich fortlaufend um Hosting und Verwaltung von Verträgen, EPKs, Rechnungen, technischen „Ridern“ und allem anderen Papierkram. „Wir übernehmen Management-Prozesse, an denen ohnehin nie einer Spaß hatte“, erklärt Rüssel und betont, dass man den Booking-Agenten und dessen Feinarbeit nicht ersetzen wolle: „Kleine Bands sparen durch uns lediglich Mitarbeiter, die sie eh nicht haben.“

In einem Friedrichshainer Hinterhof an der Warschauer Straße arbeiten derzeit eine Handvoll Mitarbeiter und ein paar freie Programmierer an gigmit und befinden sich dort in bester Gesellschaft: Nebenan befindet sich die noisy Musicworld, in deren Proberaum- und Studiokomplex im September auch die Konferenz all2gethernow im Rahmen der Berlin Music Week stattfinden wird. Ein paar Meter weiter, in der Capitol Yard Golf Lounge an der Stralauer Allee, wird auch Marcus Rüssel sprechen. Sein Thema: „Booking und Management von morgen – Wie das Netz die Livemusik verändert“.

(erschienen in: zitty 18/2012, 23. August 2012, Seite 70)

Weit weg von jeder Homepage

Aus der zitty-Serie “Berliner Internet-Start-ups”: Wie FarFromHomePage das Webbrowsing von seinen festgefahrenen Strukturen erlösen will

Farfromhomepage
Im Philosophiestudium an der FU lernten sie sich kennen, jetzt wollen sie das Internet revolutionieren: FarFromHomePage-Gründer Manuel Scheidegger und Janosch Asen

Der Name ihres Start-ups deutet es schon an: Mit gewöhnlichen Homepages wollen Manuel Scheidegger und Janosch Asen nichts zu tun haben. Feste Strukturen, die immer gleiche Navigation, Serverkosten und viel Speicherplatz – all das wollen sie mit FarFromHomePage über Bord werfen.

Ihr Tool, das die beiden Firmengründer gerne als iMovie für das ganze Web beschreiben, soll ein Hub werden, das sich aus all dem bedient, was das weite bunte Internet zu bieten hat: Ein YouTube-Video hier, ein Soundcloud-Snippet da, eine Bilderfolge dort, eine Facebook-Wall in dieser Ecke, und so weiter. Der Privatuser soll sich so etwa sein eigenes virtuelles Wohnzimmer einrichten, in dem jeder seiner Freunde und Bekannten vorbeikommen und jeden Tag was anderes erleben kann; Unternehmen können ihr Portfolio, ihre Leistungen oder ihre Ambitionen interaktiv präsentieren. Ein Museum kann zum Beispiel zu einem virtuellen Streifzug laden, den es in der Realität so nie geben würde – auf einer Homepage, die keine ist.

Weil die Dateien alle irgendwo öffentlich im Netz rumliegen, hostet FarFromHomePage nichts selbst. Und genau darin stecken Chance und rechtliche Crux gleichermaßen: Wie beim US-Bilderdienst Pinterest machen sich dort User für ihre Zwecke Daten zu eigen, an denen sie die Rechte streng genommen nicht besitzen. Noch ist das eine Grauzone, eben weil FarFromHomePage ja nichts klaut oder klauen lässt, sondern bloß verlinkt – das YouTube-Video etwa liegt weiterhin auf den Google-Servern. Es müsse juristisch geklärt werden, ob ein neues Werk vorliegt oder nicht, sagte CTO Asen schon im Frühjahr dieses Jahres, ein paar Monate, nach dem er und CEO Scheidegger Ende 2011 die ersten Gehversuche ihres Projektes online stellten und Investoren und Business Angels suchten, die so wie sie an die Idee des „Creative Browsing“ glaubten, um das Internet endlich von seiner Geradlinigkeit zu befreien.

Schwierig werden könnte die rechtliche Gemengelage auch beziehungsweise erst recht, wenn die beiden Firmengründer mit diesen Inhalten Geld verdienen wollen, etwa durch Werbung oder Premiumpakete. Aber wenn es durch diese Probleme nicht zu Fall gebracht wird, könnte FarFromHomePage vieles gleichzeitig werden: ein asynchroner Aggregator für Surfentdeckungen, ein Aufbereiter von Inhalten, ein Tool des neuen Erzählens im Netz.

Farfromhomepage.net

(erschienen in: zitty, 20/2012, 20. September, S. 70)

„Wir führen keinen Kleinkrieg gegen HRS“

Aus der zitty-Serie “Berliner Internet-Start-ups”: Wie JustBook Hotelübernachtungen als Last-Minute-Schnäppchen anbietet

Die gute Werbung war ihnen plötzlich sicher. Nur wenige Wochen, nachdem JustBook am 16. Januar dieses Jahres ihre Smartphone-App für Last-Minute-Hotelbuchungen launchten, erwirkte das Berliner Start-up beim Düsseldorfer Oberlandesgericht eine einstweilige Verfügung gegen HRS. Der Vorwurf: Der bisherige Platzhirsch der Branche nutze seine monopolartige Dominanz, um von Hoteliers Bestpreisbindungen zu verlangen, die andernfalls aus dem Buchungspool des Marktführers fliegen würden. Das Bundeskartellamt mahnte HRS deswegen ab. „Wir führen keinen Kleinkrieg gegen HRS, die machen gute Arbeit,“ sagt JustBook-Geschäftsführer Stefan Menden und beschwichtigt die Gemengelage, „ aber sie haben ihre Marktmacht ausgenutzt.“

Die IOS- und Android-App von JustBook ist einfach, das Geschäftsmodell dahinter naheliegend: Nicht mehr und nicht weniger als drei ausgewählte Hotels in vier Preisklassen werden dort täglich ab 12 Uhr pro Stadt zur Buchung freigegeben, mit einem Preisnachlass zwischen 30-50 Prozent. Deals sozusagen, Last Minute eben. Die Hotels werden ihre freien Betten in einem kleinen geschützten Kanal los, JustBook kann deshalb im Kleinen bieten, was andere, auch HRS, im Großen so nicht bieten. In der Metropole Berlin etwa kann der Spontanbucher vor der Hotelauswahl zwischen Mitte/Ost und West wählen, dann zwischen „Luxury“, „Upscale“, „Design“ und „Comfort“, ab 70 Euro pro Nacht. Für Backpacker und andere Low-Budget-Reisende ist das nichts, eher für Geschäftsreisende, die einen „gewissen Lifestyle pflegen, der Marke vertrauen und nicht in den Gasthof Krone wollen“, wie Menden es sagt. Neben Berlin sind Buchungen aktuell in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Dresden, Leipzig und Wien möglich, weitere Großstädte sollen folgen.

JustBook
In der Hotelbranche muss man Anzug tragen: Stefan Menden (l.) und seine JustBook-Mitgründer

In der Schlüterstraße am Ku’damm arbeiten derzeit rund 20 Programmierer und Vertriebler an JustBook. Die Idee dazu kam Menden, der wie seine vier Mitgründer vorher andere Start-ups aufzog, als der gebürtige Rheinländer regelmäßig seine Freundin in Freising besuchte. Den Kinobesuch oder das Abendessen in München nach der letzten S-Bahn planen, nein, man wolle ja schon mal spontan länger bleiben. „Buchungsportale gab es viele, aber allesamt mit zu vielen Möglichkeiten“, erinnert er sich. Praktisch und übersichtlich sei davon nichts gewesen.

Die Finanzierung soll allein durch Vermittlungsprovision erfolgen – und im Vorfeld natürlich durch Investoren, die Gründer von DailyDeal etwa. Gesponserte Platzierungen, Städtetrips, Mietwagen, Mobile Ads, all das will Menden in seiner App nicht anbieten, er setzt auf ein schlichtes und funktionierendes Produkt. Ein Bewertungssystem für Kunden ist in Planung. Und beides wäre noch bessere Werbung als jede Klage.

(erschienen in: zitty 16/2012)

Das Handy in der Wolke

Aus der zitty-Serie “Berliner Internet-Start-ups”, Folge 11: Wie Phonedeck ein zweiter Bildschirm für das eigene Mobiltelefon werden soll

Phonedeck
Schulte, Fitzek, Klein: Die Phonedeck-Gründer, hier auf einem anderen Dach (Foto: Georg Roske)

Verstecken müssten sie sich mit ihrer Geschäftsidee nicht. Im fünften Stock eines Hinterhof-Neubaus in der Schwedter Straße tüfteln Frank Fitzek, Gerrit Schulte, Jens-Philipp Klein und ihr Team seit rund einem Jahr an Phonedeck.com, einer Art Desktop-Verwaltungsoberfläche für die Endgeräte von Vieltelefonierern. Hinter verschlossenen Türen, Codeschlössern und stählernen Aufzügen wirkt ihr Hauptquartier ein bisschen wie ein Hochsicherheitstrakt. „Für die Lage können wir nichts“, scherzt Mitgründer Fitzek, „das war die Idee von Christophé Maire, der sagte: Als Start-up sollten wir besser nah an Mitte sein“. Und was der umtriebige Berliner Investor und Unternehmer Maire (txtr‘, Soundcloud etc.) anfasst, kann so mißerfolgsversprechend nicht sein.

Phonedeck soll wie ein zweiter Bildschirm und wie eine Fernbedienung für das Mobiltelefon funktionieren. So ist das zuhause oder im Auto vergessene Handy kein Ärgernis mehr, solange ein Computer in der Nähe ist. Dank IP-Schnittstelle kann über alle gängigen Browser auf das Gerät zugegriffen und Anrufe getätigt und entgegengenommen werden. Phonedeck ordnet ferner die Kontakte nach Top-10, nach Kollegen oder nach gemeinsamen Hobbies, zum Beispiel, kumuliert zwei oder mehrere Telefonnummern, archiviert ungenutzte Nummern und generiert detailgenaue Nutzungsstatistiken. Kurzum: Es soll die eigene Handy-Nutzung zu verstehen helfen. Den statistischen Vergleichsaspekt – Phonedeck synchronisiert bestehende Kontakte nicht nur via sozialer Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, es veröffentlicht auf Wunsch dort auch eigene Aktionen – nennt Fitzek „Private Benchmarking“. Ein Trend, dem soziale Netzwerke und Ortungsdienste ihren Erfolg erst zu verdanken haben.

Phonedeck ist im eigenen Nutzungsszenario Spielzeug und Effizienzoptimierer gleichermaßen, ein Tool für Privatpersonen und Geschäftskunden. Die ursprüngliche Idee hätten sie schon 2003 gehabt, sagt der 40-jährige Fitzek, der seit über 15 Jahren in der Branche in Berlin arbeitet. Die ersten privaten mobilen Clouds gab es aber erst drei Jahre später. Die Betaversion unterstützt ausschließlich Android-Geräte, andere mobile Betriebssysteme sollen folgen. Geld verdienen will Phonedeck mit Geschäftskundenangeboten und individuellen Firmenlösungen.

Eine Crux hat die Idee dennoch: Low-End-Verbraucher, also Besitzer älterer Handymodelle, profitieren eher von Phonedeck, weil sie ihr olles Gerät nicht mehr in die Hand nehmen müssen. Und Besitzer moderner Smartphones spielen ja nun lieber auf der Touchscreenoberfläche als auf ihrem Schreibtischmonitor. „Klar“, wissen auch die Gründer Fitzek, Schulte und Klein, „wer viel mobil ist, hat vom Dualismus weniger“.

(erschienen in: zitty 8/2012)

„Wir alle sind längst Avatare“

Aus der zitty-Serie “Berliner Internet-Start-ups”, Folge 10: Wie das transmediale Berliner Browserspiel TwinKomplex Realität und Fiktion endgültig vereinen soll

Martin Burckhardt, TwinKomplexGlaubt man Dr. Martin Burckhardt, dann wird in Tempelhof gerade die Welt revolutioniert, wie wir sie kennen. Burckhardt ist Programmierer, Spieleentwickler, Kulturtheoretiker und seit dem letzten Jahr Geschäftsführer der Ludic Philosophy GmbH. Vor allem aber ist er Philosoph. „Sie und ich, wir alle sind längst Avatare“, sagt er und spricht mit der Leidenschaft eines kleinen Jungen von Friedrich Nietzsche, von Norbert Elias, von Sozialprestige durch Social Games, von der Aufgabe des Individuums – und von seinem Sohn, dessen Video- und Computerspielverständnis Burckhardt erst auf die millionenteure Entwicklung von Twinkomplex gebracht habe.

TwinKomplex ist ein kostenloses Browserspiel, das seit November 2011 online ist und seine komplexe und variable Handlung erst in dessen Verlauf offenbart. Als Teil der so genannten „Dezentralen Intelligenz Agentur“ muss der Spieler anhand von Hinweisen aus dem Off, aus dem Netz und von anderen Nutzern auf einer Google Maps-Satelliten-Oberfläche Rätsel lösen, anfangs etwa das mysteriöse Verschwinden einer Frau in Berlin. Ein virtuelles Labor, Mock-Homepages im Netz, Regieanweisungen von Strohmännern und Videoschnipsel von Berliner Orten sollen dabei helfen und davon ablenken. Der Fortschritt des Spiels steht und fällt mit der Teamarbeit mit anderen echten Usern, den Agenten – und hakt in den ersten etwas holprigen Monaten noch an der notwendigen Partizipation der ersten paar tausend Angemeldeten. Ein kurzweiliger Spielspaß ist TwinKomplex ohnehin nicht – laut Drehbuch ist die Geschichte und ihre Missionen auf mehrere Jahre angelegt.

TwinKomplex
Fühlte sich verfolgt und ward plötzlich verschwunden: Andrea Schöning als Annette Lohmann in "TwinKomplex"

Mit Schauspielern wie Anne Ratte-Polle, Irm Hermann, Sebastian Blomberg und Robert de Niros Synchronsprecher Christian Brückner drehte Burckhardt in den Räumen des stillgelegten Tempelhofer Flughafengebäudes, in denen er und seine Programmierer, Autoren und Requisiteure auch arbeiten, über 300 Stunden Bewegtbildmaterial. Die ersten fünf Monate programmierte Burckhardt Nacht für Nacht allein, bis ihm sein „Living Novel“ selbst zu groß wurde. TwinKomplex sei „kein Buch, kein Film, kein Spiel“, sagt er. Von dem vor Jahren mal erfolgreichen Online-Game „Second Life“ hält er nichts, das sei für digitale Hinterwäldler.

Die Kosten einer derart hehren Produktion übernimmt bisher ein Hamburger Privatinvestor. Langfristig finanzieren will und muss sich TwinKomplex durch den Erwerb von virtueller Währung und Gütern sowie durch Product Placement. Den Schritt zur Revolution haben Burckhardt und sein Team bereits getan: Die selbsterschaffene lernfähige Künstliche Intelligenz namens HAL9001 soll „die Welt der Games von der Einengung einer Geschichte durch Entscheidungsbäume befreien“, lassen sie via Agenten-Newsletter verlautbaren.

(erschienen in: zitty 7/2012, S. 66)

„Wir bauen kein Fernsehen nach“

Aus der zitty-Serie „Berliner Internet-Start-ups“, Folge 9: Wie Tweek Fernsehen wieder zum Erlebnis machen will

Die Gründer von Tweek.tv: Koerbitz, Hartl, Düe (v.l.)

Das Fernsehen hat Marcel Düe irgendwann nur noch gelangweilt. Seit ein paar Jahren, seit der rasenden Verbreitung von Breitbandinternet, Social Media und Tablet-Computern, frustriert es ihn, sich nach der Arbeit in der einzigen Hoffnung auf die Couch zu knallen und die Glotze anzuschalten, irgendein Programm zu finden, das ihm gefällt. Wäre doch toll, dachte Düe, wenn Fernsehen wieder ein Erlebnis werden würde. Wenn er als Zuschauer das „Was“, „Wann“ und „Wo“ selber so bestimmen und sich Tipps von Freunden holen könnte, wie es Anbieter wie Spotify und Last.fm für das Radio längst vorgemacht hatten. Fertig war die Geschäftsidee, aufgrund derer Düe gemeinsam mit Klaus Hartl und Sven Koerbitz vor rund einem Jahr Tweek gründete.

Tweek.tv will kein eigener Online-Sender werden. „Wir bauen kein Fernsehen nach, wir verhandeln keine eigenen Lizenzen“, sagt der 31-jährige Düe heute im Tweek-Quartier, einem verglasten Erdgeschoss-Büroraum in einem Hinterhof in der Münzstraße in Mitte. Das heißt konkret: Tweek.tv hostet keine eigenen Inhalte, es bündelt das Angebot der kostenpflichtigen Video-On-Demand-Anbieter iTunes, Amazon VoD, Netflix, Lovefilm, Crackle und Vudu unter einem Dach und verrät, welche Filme meinen Freunden gefallen – der Login funktioniert ausschließlich über den eigenen Facebook-Account. So sieht der Nutzer auf Tweek.tv zwar, welche seiner digitalen Bekanntschaften „The Big Lebowski“ mögen oder „Dr. House“ gesehen haben und erfährt, wo er sich diese Empfehlungen zu welchem Preis anschauen kann. Beliebte US-amerikanische Serien etwa werden aber vor ihrer deutschen Erstausstrahlung auch bei Tweek nicht zu finden sein. Düe, der seit zehn Jahren in der Berliner Internetbranche, zuletzt als Plattformmanager bei einem Mobilfunkunternehmen, arbeitet, ist dennoch optimistisch: „Ich lehne mich zurück und entdecke für mich spannende Inhalte – zusammengestellt von Kuratoren, deren Interessen und Geschmack ich teile. Das können Freunde, Celebrities oder andere interessante Menschen sein“, so sein Szenario.

Tweek.tv befindet sich noch in der geschlossenen Beta-Phase und wird vorerst nur auf dem iPad funktionieren, ein Launchtermin steht noch nicht fest. Auch andere Anbieter machen sich in ihren Sparten auf, Fernsehen einem veränderten Nutzerverhalten anzupassen, tape.tv oder TunedIn, zum Beispiel. Grund zur Eile sieht Düe nicht und versucht, den Erfolg realistisch einzuschätzen: „Fernsehen ist stark habitualisiert. Das wird noch dauern, bis wir oder irgendwer den Service hin bekommt, der so richtig cool ist. Das ist aktuell noch kein Rennen gegen die Zeit.“

(erschienen in: zitty, 5/2012, S. 63)

Update: Tweek.tv launchte seine iPad-App am 19. März 2012

„Wir wollen der Lonely Planet 2.0 werden“

Aus der zitty-Serie „Berliner Internet-Start-ups“, Folge 7: Wie Gidsy ein virtueller Marktplatz für Aktivitäten werden will

Edial Dekker mag Pilze. Das ist noch keine Geschäftsidee, aber die Suche nach Experten, die ihm zeigen, wo er in seiner neuen Wahlheimat mehr über seine Lieblingszutat erfährt und findet, ließ dem gelernten Koch keine Ruhe. Seit zweieinhalb Jahren lebt der 27-jährige Niederländer in Berlin, gründete dort mit seinem Bruder Floris das Designstudio „Your Neighbours“ und arbeitete unter anderem für Kunden wie Etsy.com. So einen Kunst- und Handwerks-Marktplatz müsste es doch auch für Spezialisten geben, die ihre Ortskenntnisse und Fähigkeiten mit Suchenden teilen möchten, dachte Dekker also im Sommer 2011. Ein paar Wochen später waren seine bisherigen Kunden aufgegeben, Gidsy.com gemeinsam mit seinem Bruder und dem Österreicher Philipp Wassibauer gegründet und Investoren gefunden, im November ging die Seite online.

Gidsy
Dekker, Dekker, Wassibauer: So sehen sie aus, die Gründer von Gidsy.com

Das Modell hinter Gidsy ist einfach: Orts- und Fachkundige bieten in Führungen oder Workshops ihre Kenntnisse und ihr Können an und setzen Teilnehmerzahl und Preis selber fest. Für fünf Euro zum Beispiel führt Igor S. Berlin-Interessierte durch Coffeeshops und die Geschichte des Kaffees, für 30 Euro gibt Mira O’Brien einen dreistündigen Zeichenkurs; Teilnehmer können im Nachhinein transparent bewerten und kommentieren, wie es ihnen gefallen hat. Für jede Buchung kassiert Gidsy eine zehnprozentige Vermittlungsgebühr. Dass die Leute sich über Gidsy finden, dann aber privat verabreden, kann Dekker nicht ausschließen, baut aber auf den Community-Charakter. Mitmachen und anbieten kann erstmal jeder, der eine real existierende Person und keine Firma ist: „Wir checken nicht alle Angebote gegen, das soll wie Youtube funktionieren“, hofft Dekker.

An Gidsy.com arbeiten in einem versteckten Dachgeschoss-Fabrikloft am Kottbusser Tor zurzeit sechs Mitarbeiter. Ende Januar werden es schon zehn sein, schließlich soll Berlin nur der Anfang gewesen sein. Lokalisierungen für Amsterdam und New York gibt es bereits, San Francisco, London und eine deutschsprachige Version folgen – und dank Facebook, Twitter und Co. soll Gidsy schnell zum Selbstläufer werden: „Wir wollen der Lonely Planet 2.0 werden“, sagt Dekker über seinen Marktplatz für Aktivitäten. Er selbst habe darüber schon Kochkurse angeboten und in seiner eigenen Küche neue Freunde und Rezepte gefunden, sagt er. Und sogar einen regionalen Pilzexperten.

(erschienen in: zitty 2/2012, S. 58)

Carbon Copies

Zwei E-Mails aus meinem heutigen Posteingang:

Screenshot

Betreff: Pressemitteilung – Launch der Crowd-Founding-Plattform „___“

Sehr geehrter Damen und Herren,

___ ist der einfachste Weg, ein eigenes Projekt über das Internet zu finanzieren. Dafür kooperiert ___ bereits zum Start mit über 700 verschiedenen Online-Shops, u.a. mit ___, ___, und ___. Werden die Einkäufe über die ___-Website oder das Browser-Add-on getätigt, fließt vom Shopbetreiber ein Bonus in das ausgewählte Projekt. Die Höhe des Bonus variiert von Shop zu Shop. Der Einkauf wird dadurch allerdings nicht teurer. Man muss nichts zahlen oder spenden, sondern das Geld sammeln funktioniert ganz einfach nebenbei, wenn man einen Online-Einkauf tätigt.

Die weiteren Informationen entnehmen Sie bitte der beiliegenden Pressemitteilung.

Für Fragen stehe ich Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.

Herzlichen Gruß,

Christian ___
-Geschäftsführer-

Re: Pressemitteilung – Launch der Crowd-Founding-Plattform „___“

Sehr geehrter Herr ___,

ich schlage als erstes Projekt das Thema „Wie bediene ich meine Email-Software unter besonderer Berücksichtigung des Datenschutzes von

349 Email-Adressinhabern“ vor.

Nichts für ungut,

Manuela

(Leerstellen und Schwärzungen von mir)

Mädchen sind stark im Kommen

Bisher offenbar unbemerkt arbeiten (die Gagschreiber von) Mario Barth und Stefan Raab auch als Online-Redakteure in Karlsruhe, und das mindestens seit März dieses Jahres:

Wodka-Tampons und Mädchen: Beide offenbar stark im Kommen (Klick zur Bild-Vergrößerung, Screenshot: ka-news.de)

Vielleicht ist es auch umgekehrt.