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Die Suche nach dem nächsten großen Ding

Facebook fängt an zu nerven. Doch es sind keine Alternativen in Sicht.

Social Networks
Facebook und andere Social Networks und Dienste auf dem Smartphone (Screenshot)

Alle suchen sie das nächste große Ding im Internet, aber es kommt einfach nicht. 2012 war das Jahr, in dem sich neben so etwas wie eine Netz-Ermüdung einstellte. Google + mangelt es an Akzeptanz und Partizipation, Microblogging-Dienst Twitter bleibt in Deutschland in der Nische, MySpace steht nur heimlich von den Toten wieder auf, die Nutzer der virtuellen Pinnwand Pinterest operieren im urheberrechtlich grauen Bereich. Immer neue Start-ups schießen aus dem Boden wie vor zehn Jahren Indiebands. Doch das Epizentrum des täglichen Online-Seins und somit das Social Network 2012 bleibt Facebook.

Allerdings wird die Luft dünner für das Unternehmen. Der Börsengang und anschließende Kurseinbruch der meistbesuchten Website der Welt sorgte für eine Ernüchterung unter Investoren. Der erste TV-Spot, den Facebook anlässlich des milliardsten Users im Herbst lancierte, ließ erahnen, dass das organische und virale Userwachstum an seine Grenzen kommt. Und schon der scheinbar wahnwitzige Kauf von Instagram (1 Milliarde Dollar für 13 Mitarbeiter und eine App ohne Geschäftsmodell) im April offenbarte, wo Mark Zuckerberg hin will und wo seine datensammelnde Gelddruckmaschine noch Lücken offenbart: ins Foto-Segment, zu Location Based Services, auf die Smartphones. Dort sind andere längst, mit etlichen Foto- und Videoapps oder Diensten, die nur deshalb „social“ sind, weil es eine Facebook-Anbindung gibt. Zu denen gehören auch Musikstreamingdienste wie Spotify.

Während Facebook sein Geld mit dem Handel der Daten seiner Kunden macht, müssen Streamingdienste Geld für die Künstler, die Labels und sich selbst einnehmen – sich also mühen um eine zeitgemäße Adaption analoger Strukturen ins Digitale. Ein Geschäftsmodell, das die klassische Musikindustrie sicherlich nicht retten wird. Und, nach gegenwärtigem Stand, leider auch nicht den Künstler. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass die Musik der Zukunft nicht nur keiner Tonträger mehr bedarf, sondern dass sie irgendwann direkt vom Studio im Ohr des Hörers landet. Das funktioniert allerdings wiederum nur unter den Acts, die sich ihr Publikum bereits erspielt haben. Wie Lady Gaga, die mit „Little Monsters“ ihr eigenes Netzwerk aufgebaut hat – die Industrie will sie irgendwann hinter sich lassen.

Und Facebook? Hatte dieses Jahr mehr denn je mit seiner Akzeptanz zu kämpfen. Das gute Image aus den Anfangstagen ist dahin, die User und Seitenbetreiber beschweren sich zunehmend über die Undurchsichtigkeit darüber, was mit ihren Daten geschieht und wie sie selbst zum Werbeträger werden – Facebook nutzen wollen oder „müssen“ sie aber weiterhin. Es gilt mehr denn je das alte Mantra: Wenn du für einen Dienst nichts zahlst, bist du selbst die Ware. Und das schafft Bewusstsein und Bedarf für Neues. Vielleicht ja schon im nächsten Jahr.

(erschienen in: Musikexpress, Januar 2013, Seite 33)

Weit weg von jeder Homepage

Aus der zitty-Serie “Berliner Internet-Start-ups”: Wie FarFromHomePage das Webbrowsing von seinen festgefahrenen Strukturen erlösen will

Farfromhomepage
Im Philosophiestudium an der FU lernten sie sich kennen, jetzt wollen sie das Internet revolutionieren: FarFromHomePage-Gründer Manuel Scheidegger und Janosch Asen

Der Name ihres Start-ups deutet es schon an: Mit gewöhnlichen Homepages wollen Manuel Scheidegger und Janosch Asen nichts zu tun haben. Feste Strukturen, die immer gleiche Navigation, Serverkosten und viel Speicherplatz – all das wollen sie mit FarFromHomePage über Bord werfen.

Ihr Tool, das die beiden Firmengründer gerne als iMovie für das ganze Web beschreiben, soll ein Hub werden, das sich aus all dem bedient, was das weite bunte Internet zu bieten hat: Ein YouTube-Video hier, ein Soundcloud-Snippet da, eine Bilderfolge dort, eine Facebook-Wall in dieser Ecke, und so weiter. Der Privatuser soll sich so etwa sein eigenes virtuelles Wohnzimmer einrichten, in dem jeder seiner Freunde und Bekannten vorbeikommen und jeden Tag was anderes erleben kann; Unternehmen können ihr Portfolio, ihre Leistungen oder ihre Ambitionen interaktiv präsentieren. Ein Museum kann zum Beispiel zu einem virtuellen Streifzug laden, den es in der Realität so nie geben würde – auf einer Homepage, die keine ist.

Weil die Dateien alle irgendwo öffentlich im Netz rumliegen, hostet FarFromHomePage nichts selbst. Und genau darin stecken Chance und rechtliche Crux gleichermaßen: Wie beim US-Bilderdienst Pinterest machen sich dort User für ihre Zwecke Daten zu eigen, an denen sie die Rechte streng genommen nicht besitzen. Noch ist das eine Grauzone, eben weil FarFromHomePage ja nichts klaut oder klauen lässt, sondern bloß verlinkt – das YouTube-Video etwa liegt weiterhin auf den Google-Servern. Es müsse juristisch geklärt werden, ob ein neues Werk vorliegt oder nicht, sagte CTO Asen schon im Frühjahr dieses Jahres, ein paar Monate, nach dem er und CEO Scheidegger Ende 2011 die ersten Gehversuche ihres Projektes online stellten und Investoren und Business Angels suchten, die so wie sie an die Idee des „Creative Browsing“ glaubten, um das Internet endlich von seiner Geradlinigkeit zu befreien.

Schwierig werden könnte die rechtliche Gemengelage auch beziehungsweise erst recht, wenn die beiden Firmengründer mit diesen Inhalten Geld verdienen wollen, etwa durch Werbung oder Premiumpakete. Aber wenn es durch diese Probleme nicht zu Fall gebracht wird, könnte FarFromHomePage vieles gleichzeitig werden: ein asynchroner Aggregator für Surfentdeckungen, ein Aufbereiter von Inhalten, ein Tool des neuen Erzählens im Netz.

Farfromhomepage.net

(erschienen in: zitty, 20/2012, 20. September, S. 70)

Hauptsache Berlin

Öl ins Feuer aller soge- und selbsternannten Gentrifizierungsgegner: Folgende Nachricht aus Brasilien erreichte mich letzte Woche Dienstag (!) via Facebook.

Hi Fabian! How are you doing?

I am XXXX’s friend. She gave me your contact.

I have going to Berlin on thursday and I am looking for a place to stay until I can find a room to rent. By any chance is it possible to stay with you for a few days? Maybe until monday?

I don’t know if XX told me why I am going to Berlin but the main reason is to study cinematography and try to find a job as a director of photography (Film movies, commercials and TV Series). Do know anyone in this working field in Berlin that I could contact? Do you know as well someone the might need a room mate?

Thanks a lot for your attention!

(Namens-Auskreuzungen und Hervorhebung von mir)

Ihre Vorurteile über Berlin-Touristen und -Zugezogene setzen Sie bitte hier ein: _________________

***

Update 1:
Höflich wie ich bin, habe ich dem Absender, Y., einen Kontakt für eine mögliche Zwischenmiete gegeben. Seine Antwort:

„(…) I am waiting for my EU citizen to come out. If it works it can stay for a long term. Otherwise I will be back home in maybe 3 months or so.“

Update 2:
Die potentielle Zwischenvermieterin hat Kontakt mit Y. aufgenommen. Seine Antwort:

„(…) Is it EUR 500 for the whole 55 days? If yes, sounds good. I am interested. I would like to meet your friend and take a look at the apartment if it is possible.

Danke!“

Und sie:

„Dear Y,

No, I’m afraid that’s the monthly rent. Welcome to gentrified Neukölln…“

Wie Facebook für Berufstätige

Die für ihre Online-Kompetenz in Kritikerkreisen gefürchtete Rheinische Post warnt in ihrer Ausgabe vom vergangenen Mittwoch vor allzu gedankenloser Nutzung sozialer Netzwerke – und erklärt sie freundlicherweise dem gemeinen Leser. Unter der Überschrift „NRW: Fahndung mit Facebook“ (für 2,38 Euro auch online lesbar) dokumentiert die Zeitung – übrigens nicht zum ersten Mal – die immer üblicher werdende Online-Recherche der Polizei, deren Arbeit bei der Identifizierung von Straftätern dadurch erleichtert würde und dank Facebooks neuer Gesichtserkennung ja topaktuell ist: „Wenn das Bild im Internet vorliegt, muss es nicht erst beim Einwohnermeldeamt angefordert werden“, heißt es da. Das bedingt überraschende Fazit: Wer Fotos inklusive Namen von sich im Internet veröffentlicht, ist selbst schuld und „datenschutzrechtlich ausgeliefert.“

Nur: Im geschilderten Fall eines drängelnden Autofahrers, der mit seinem BMW in eine Radarfalle geraten war und prompt behauptete, nicht selbst gefahren zu sein, wurde das Blitzerfoto entgegen der Behauptung in der Überschrift nicht mit dem Facebook-Profilbild des Beschuldigten verglichen und als Beweis herangezogen, sondern mit dessen Foto auf Xing. Und glaubt man der Rheinischen Post, so sind die Unterschiede dieser beiden sozialen Netzwerke vor allem im sozialen Status ihrer Nutzer zu finden: „Xing ist ähnlich wie Facebook ein soziales Netzwerk, in dem sich vor allem Berufstätige aufhalten.“

Fahndung mit Facebook
(RP, Klick zur Großansicht)