Nur zur Besuch

Stiller Protest: In seinem wunderbaren Zweitwerk „Ein Sommer in New York“ erzählt Regisseur Tom McCarthy die Geschichte eines verwitweten Professors, der seine Freude am Leben wiederfindet – und von der US-amerikanischen Einwanderungspolitik nach 9/11

Connecticut, USA, ein paar Jahre nach 9/11: Seit dem Tod seiner Frau ist der verdiente Wirtschaftsprofessor Walter Vale (Richard Jenkins) seines Lebens müde. Er stellt die immergleichen Klausuren, ist ein hoffnungsloser Klavierschüler, gibt vor, ein Buch zu schreiben und scheut jeden unnötigen Kontakt. Seine Karriere ist nur noch eine Fassade, hinter der er sich und seine Lethargie zu verstecken sucht – bis er als Co-Autor eines Essays nach New York muss, um einen Vortrag zu halten. In seinem von ihm lange nicht mehr besuchten Appartement überrascht Vale die Einwanderer Tarek aus Syrien (Haaz Sleiman) und Zainab (Danai Gurira) aus Senegal, die dort in seiner Abwesenheit einen Platz gefunden haben. Vale überwindet seine Misanthropie und nimmt die Flüchtlinge bei sich auf. Von diesen Besuchen also, von Tarek und Zainab als Gäste bei Walter Vale und in den USA und vom Besuch Walters in seinem Appartement und bei sich selbst erzählt Tom McCarthys wunderbares Zweitwerk „Ein Sommer in New York – The Visitor“.

Trommeln macht Spaß: Walter Vale (Richard Jenkins) lernt von Tarek (Haaz Sleiman)
Im amerikanischen Original, das in den USA bereits 2007 Premiere feierte, heißt „Ein Sommer in New York – The Visitor“ lediglich „The Visitor“. Dieser schlichte Titel trifft die Essenz dieses auf leisen Sohlen tretenden Sozialdramas besser als der deutsche, weil „The Visitor“ seine Schauplätze andeutet und ohne Fingerzeig funktioniert. Natürlich äußert Regisseur McCarthy, wenn Tarek wegen seiner Hautfarbe in der Metro festgenommen wird und wegen eines fehlenden Visas abgeschoben werden soll, Kritik an der Willkür und Rigorosität der US-Einwanderungspolitik. Aber die Besuchsszenen im Auffanglager in Queens, in denen Tarek gefängnisgleiche Zustände erlebt, gehören mit Abstand zu den lautesten eines sonst so stillen Protestfilms: Die Zeit des Settings wird allein durch ein Schild mit der Aufschrift „Support Our Troops!“, an dem Walter auf dem Weg zum College vorbeifährt, abgesteckt. Wenn der anzugtragende Walter Vale Gefallen am Spiel mit Tareks Djembe findet, spürt der Zuschauer mit jedem Trommelschlag, wie dieser auch dem verwitweten Walter neues Leben einhaucht. Und auch die Annäherung zwischen Walter und Tareks Mutter Mouna (Hiam Abbas), die aus Sorge um ihren Sohn nach New York reist, bleibt eine vorsichtige.

„Ein Sommer in New York – The Visitor“ aber berührt nicht nur als Eingeständnis an die Zweisamkeit und durch seine austarierten Details, sondern durch sein kleines Ensemble: Haaz Sleiman spielte bislang in „24“ oder „American Dreamz“ den Klischee-Terroristen und blüht in seiner Rolle als aufrichtiger Tarek entsprechend auf. Und Richard Jenkins („Burn After Reading“, „Six Feet Under“) wurde für seine Hauptrolle als Walter Vale für einen Oscar nominiert. Gewonnen hat er ihn nicht, aber auch das will zu der Geschichte seines Charakters passen: Soviel Wendung bedarf es eines Lebens gar nicht. Es sind die kleinen Dinge, die einen Unterschied machen. Wenn man sie lässt.

„Ein Sommer in New York – The Visitor“
(Pandastorm Pictures/Central Film)
USA 2007
Regie: Tom McCarthy
mit: Richard Jenkins, Haaz Sleiman, Hiam Abass, Danai Gurira u.a.


(erschienen auf: BRASH.de, 14. Januar 2010)

1 Kommentar

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