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Fred Costea im Interview: „Der erstbeste Witz ist nie der beste“

Er nennt es „Cringe“: Mit satirischen Kurzvideos, in denen er Berliner Kellner, kranke Arbeitskolleg*innen, werbende Influencer, empathielose Ärzte, findige „Tatort“-Kommissare und nervende Ex-Boyfriends parodiert, erreicht der Comedy-Newcomer Fred Costea auf Instagram und TikTok bereits über 100.000 Follower. Im Herbst geht der 29-Jährige auf seine erste Solotour. Ein Gespräch über Social-Media-Fame, guten Humor und eine neue Generation von Comedians, die keine Clowns sein wollen.

Comedian und Influencer Fred Costea bei der Live-Arbeit (Foto: Simon Redel)

 

Du bist „eigentlich“ Schauspieler – auch ein oft gehörter Satz in Berlin. Wann hast Du gemerkt, dass Dir Comedy liegt?

Fred Costea: Stand-up-Comedy, besonders US-amerikanische, begeisterte mich schon immer. Anfang 2019 besuchte ich mein erstes Open Mic, im „Mastul“ im Wedding trat ich vier Monate später das erste Mal selbst auf – und war fortan hooked.

Stand-up gilt als Königsdisziplin des professionellen Humors.

Es ist eine sehr anspruchsvolle Kunstart, ja. Wegen der wahnsinnigen Selbstermächtigung. Du bist dabei nicht nur Akteur, sondern auch Regisseur und Drehbuchautor. Du inszenierst dich selbst. Stand-up, aber auch die Theater-Bühnen während meines Studiums, bereiteten mich auf Social Media vor. Es ist nicht einfach, eine derartige Dichte an Jokes und Punchlines in ein paar Sekunden zu quetschen, um die Follower am Ball zu halten. Als während der Corona-Pandemie auf TikTok so viele Leute durch die Decke gingen, erkannte ich dessen Potential.

Im Juli 2023 hast Du dort Dein erstes eigenes Video hochgeladen. 50.000 User folgen Dir seitdem, auf Instagram sind es bereits über 100.0000, einen Großteil davon macht Deine Hauptzielgruppe der 25- bis 34-Jährigen aus. Kann man sich davon was kaufen?

Meine Frage lautet: Wie mache ich aus ihnen ein Publikum für mein Stand-up-Programm? 100.000 Follower geben dir aber ein gewisses Standing. Mit Werbung und Marken-Kooperationen ließe sich sehr gutes Geld verdienen. Bisher hatte ich keinen Bock darauf und alle Anfragen abgelehnt. Aber ich werde zunehmend zu anderen Show-Formaten eingeladen und bekomme Schreib-Aufträge. Die Leute merken: ‚Aha, der scheint irgendwas richtig zu machen.’ In meinen Videos verfolge ich einen handwerklich hohen Anspruch. Mein Mantra lautet: Das größte Talent nützt nichts, wenn man geneigten Hauptes in der Ecke steht. Du kannst als noch so guter Komiker nicht länger darauf warten, in einer Kaschemme von einem Agenten entdeckt zu werden. Man muss heute sein eigener Agent, Autor und Netzwerker sein.

Und Zeit und Geld haben, um Arbeit in Aufbau und Pflege eines Social-Media-Kanals investieren zu können. Die gleicht einem Vollzeitjob, dessen Einstieg sich heute nur noch Kids aus gutem Hause leisten können, oder?

Wer gute Karten und ein Kissen zum Ausruhen hat, kann natürlich entspannter Zeit investieren, bis auf lange Sicht Geld reinkommt. Ich habe neben meinem Studium schon ab und zu fürs Fernsehen gedreht und danach als Dayjob bei einem großen Elektronikhändler Workshops geleitet. So habe ich mir einen Puffer angefressen und kündigte, um fortan mit Stand-up Geld zu verdienen. Auf den großen Social-Media-Coup setzte ich nicht. Eher zufällig ging gleich mein erstes Video viral. Ich rate jedem es zu überdenken, sich ohne Sicherheitsnetz da rein zu stürzen.

https://www.instagram.com/p/C4YXbyDM3p1/

Schauspiel erschien Dir weniger aussichtsreich?

Als Schauspieler warte ich darauf, dass das Telefon klingelt. Auch wegen der Bredouille, dass ich darauf proaktiv kaum Einfluss nehmen kann, stürzte ich mich ins Stand-up. Da habe ich die Zügel eher in der Hand.

Die etlichen Fähigkeiten auf Deiner Agentur-Kartei von Tanz, Sport und Dialekten bis Instrumenten und Gesang verstärken den Eindruck, dass man auch als Schauspieler aus gutem Hause kommen muss, um mitzuhalten. Liest sich fast unsympathisch!

Vieles davon wurde im Studium abgedeckt. Meine Eltern schickten mich nie zu Sportvereinen, dafür zum Musikunterricht. Ein gutes Haus hilft finanziell jedem Künstler, ist aber kein Grundvoraussetzung. Ich kenne begnadete Schauspieler und Musiker, die es ohne Vorbildung an die Hochschule geschafft haben. Schauspiel stand bei mir nie im Raum, ich war ein Körperklaus, der an eine Hobbygruppe teilnahm und sich in Folge dessen fürs Schauspielstudium bewarb. Das Wichtigste in jedem Kunstberuf ist die Neugierde. Und du brauchst Sicherheit, um neugierig und empfänglich bleiben zu können. Wer Angst hat, seine Miete nicht zahlen zu können, dessen Kanäle machen dicht. ich wollte nie der arme Künstler sein, der am Existenzminimum herumkraxelt. Ich wollte, dass es mir gut genug geht und ich Sicherheiten habe. Angst blockiert beim Schaffen.

Fred Costea live (Foto: Simon Redel)

Woher holst Du Dir die Inspiration für die typischen, mitunter selbstentlarvenden Sätze der Figuren  in Deinen Videos?

A) Die Charaktere wohnen uns allen inne. Man denkt deshalb: „Fuck, vielleicht habe ich so einen Satz ja auch schon mal…“. B) In der Schauspielschule wurde uns eingehämmert, uns in Cafés zu setzen, beobachten und zuzuhören. Und nach zehn Jahren in Berlin habe ich viele Leute beobachten können! C) Ich bin ein Medienkind, habe viele Serien und Filme gesehen. Archetypen entdeckst du überall. Die Arbeit als Comedian ist die, Gehörtes nicht derart rauszuhauen, wie es alle anderen tun würden. Welchen Twist braucht der Witz, wie kriegt er meine eigene Farbe? Wenn ich zum Beispiel Sätze eines Kellners in Berlin einspreche, feuere ich nicht nur die erstbesten Klischees ab. Mindestens eine Note muss anders sein, als erwartet.

Um nicht in Pauschalisierungen wie Mario Barths „Männer sind so, Frauen so“ zu enden?

Das will ich auf gar keinen Fall. Erst schreibe ich ein Skript und überarbeite es viermal, bevor ich überhaupt daran denke, es aufzunehmen. Natürlich bediene auch ich mal ein doofes Klischee. Zu plump werde ich aber hoffentlich nie.

Kommen die Videos auch außerhalb Berlins gut an? 

Ein Großteil meiner Follower, mehr als 20 Prozent, kommt aus Berlin. Danach folgen andere große deutschsprachige Städte. Deswegen sind auch die Videos, in denen es in irgendeiner Art und Weise um Berlin-Bashing geht, die reichweitenstärksten.

Je länger man hier wohnt, desto weniger merkt man, dass mancher Humor vielleicht wirklich nur hier zieht und trifft. Als ich meine Mutter aus NRW mal mit zu FIL, dem meiner Meinung nach lustigsten Berliner, schleppte, schlief sie ein. 

Die Gefahr is groß, in bestimmte Fallen zu tappen. Ich wollte nie der Instagram-Typ sein, der sich nur über Berlin-Klischees lustig macht. Deshalb hole ich auch Münchner Typen rein, rede über Romanzen oder über „Tatort. Ich probiere mich weiterhin aus. Berlin-Reels polarisieren. Und Polarisierung bedeutet auf sozialen Medien viel Traffic, ist also eine Währung. Ich mache das nicht um jeden Preis, aber es spiegelt nun mal auch meine Lebensrealität wieder. Ich habe schon so sehr viele Waschsalons abends zu Kunstaustellungen werden sehen. Bei solchen Pop-up-Events kann man besonders gut Gespräche mitlauschen!

In Deinen Parodien geht es oft auch subtil um toxische Männlichkeiten. Erkennst Du dies selbst als ein Thema von Dir?

Ja, irgendwie wird das auch verhandelt. Ich setze mich dadurch selber mit dem Thema „Männlichkeit“ als solches auseinander und „toxische Männlichkeit“ ist nun mal ein Thema unserer Gesellschaft. Meine Absicht war das aber nicht.

Sondern?

Ich wollte einfach zeigen, was ich kann. Und das über ein Medium, in dem erkannt wird: Fred Costea kann schreiben. Er kann spielen. Und er ist ein Komödiant. Nachdem ich mir etliche mögliche Vorbilder aus den USA anguckte, kam ich recht schnell auf die Idee: Ich mache diese Reels so wie E- Casting-Videos, das kannte ich ja vom Schauspiel schon. Ich stelle mich hin und behaupte, jemand zu sein. Cringe-Comedy fand ich immer schon nice. Es darf ruhig weh tun, sich durch die Clips zu arbeiten. Unter meinem Video, in dem es um Text-Nachrichten vom Ex-Boyfriend morgens um 4 Uhr geht, kommentierten viele Frauen: „Ach ja, guckt, uns allen geht es so! Wir haben ähnliche Erfahrungen, niemand steht alleine da.“ Diese versöhnliche Komponente interessiert mich. Ich zeige lieber auf, dass wir alle im selben Boot sitzen, als zynisch alle durch den Kakao zu ziehen.

Zumal ausgrenzende Satire bekanntlich nur dann gut ist, wenn sie nach oben tritt und nicht nach unten. 

Nach unten treten ist leicht. Nach oben punchen ist immer schwieriger. Dann fühlen sich aber meist mehr Leute abgeholt. Wir gehen gemeinsam gegen die Ungerechtigkeit vor. Mir sagte mal ein Kollege, dass meine Videos ganz viel mit Machtgefälle zu tun haben. Der Cringe-Faktor kommt auch daher, dass du dich als Rezipient machtlos fühlst und denkst: Ich kann nichts dagegen machen, wie diese Figur jetzt agiert. Wie dieser Arzt mich behandelt. Ob ich die Wohnung bekomme oder nicht.

Wer waren oder sind Vorbilder für Dich?

Darüber möchte ich nicht reden. Finde ich spannender, wenn man das nicht so genau weiß. Kunst bedeutet, dass Leute sich aus Farbtöpfen vergangener Künstler*innen eine eigene Palette mischen. Wen ich jetzt gerade großartig finde: Tig Notaro. Mike Birbiglia. Phoebe Waller-Bridge. Zum Beispiel.

Selbst einst großartige Comedians wie Ricky Gervais tappen zunehmend in dieselbe Falle: Sie regen sich auf, angeblich nicht alles sagen zu dürfen, während sie genau das tun.

In seinem jüngsten Special lautet sein Motto offenbar: Being unwoke for the sake of being unwoke. Wie doll kann man über Grenzen schlagen? Es ist immer eine Frage der Absicht und der Intelligenz des Witzes, der dahinter steht. Wer ist das Ziel? Wirklich zeitgemäß und kreativ ist es nicht mehr, auf Teufel komm raus polarisieren zu wollen.

Anders als hier in Deutschland werden oder wurden in den USA Stars wie Jim Carrey, Adam Sandler und Robin Williams selbstverständlich gleichermaßen als Schauspieler und Komiker wahrgenommen.

In den USA ist ein Comedian angesehener, ja. Dort wird verstanden, dass Stand-up eine komplexe handwerkliche Kunst ist. Bastian Pastewka und Anke Engelke sind bei uns die hybridigsten. Eine Trennung in der Wahrnehmung existiert trotzdem weiterhin, besonders zwischen Stand-up und Schauspiel: An meiner Auftragslage als Schauspieler hat sich seit dem Erfolg meiner Reels nichts geändert. Bock hätte ich.

Siehst Du Dich selbst als Teil einer neuen Generation? Neben Freunden von Dir wie Tom Böttcher und Till Reiners?

In der Szene findet ein Shift statt, ja. Viele junge Leute stehen in den Startreihen, die wie ich in ihrer Jugend viel US-Stand-up konsumierten und jetzt Bock haben. Felix Lobrecht, ein Typ in Jeans und T-Shirt, war ein großer Vorreiter, er hat viel geebnet. Auch Filiz Tasdan gehört dazu. So viele machen Comedy aus Liebe zum Handwerk. Und um dieses Klischeebehaftete von clownesken Figuren wie Atze Schröder und Ausbilder Schmidt aufzubrechen. Es geht jetzt um persönliche Geschichten und Eindrücke und wie man die Welt sieht. Bei dieser neuen Welle bin ich mit dabei.

Auch das Humorverständnis hat sich verändert. Junge Leute wollen einfach nicht mehr Dieter Nuhr und Thomas Gottschalk zuhören müssen. Der Wandel bedingt sich also gegenseitig. 

Der gesellschaftliche Wandel bedingt, dass Humor andere Farben annehmen und klüger werden muss. Das ist was Geiles. Weil es uns handwerklich fordert. Es reicht nicht mehr, die erste Witze-Ausfahrt zu nehmen. Das Schreiben von Stand-up und Comedy ist für mich wie Detektivarbeit. Du musst von allen Seiten jeden Winkel beleuchten und dich fragen: Wie ist mein Blick darauf? Bringe ich Punchline Nummer 1 oder 10, weil auf den 9 davor alte oder hämische Stereotype lauerten? Auch wegen Social Media musst du kreativ sein. Ich sehe andauernd und überall geile Jokes. Das stachelt an. Ich habe Bock, die eine Killer-Line zu schreiben. Das ist nicht immer die erstbeste. An welchem Punkt des Witzes sitzen wir alle noch im selben Boot, er ist aber so unique, dass nur ich den so hier rein bringen kann? Die wichtigste Frage lautet: Kann mein Set, meinen Joke jeder spielen? Oder kommt das alles aus mir heraus? Mit der Prämisse kann man gar nicht mehr alte Muster bedienen.

Wo sieht man in Berlin gutes junges Stand-up, wenn man bisher nur die Wühlmäuse und den Quatsch Comedy Club kannte?

Dann geht man in den Mad Monkey Room oder zu Comedyflash — da moderiere ich auch ab und zu. In diesen Clubs gibt es jeden Abend Auftritte. An Orten wie diesen versucht die Szene zu wachsen und für frischen Wind zu sorgen.

Über Fred Costea: 

Fred Costea ist Komiker, Schauspieler und Sprecher. Er wurde 1994 in Neumarkt in der Oberpfalz geboren. Nach dem Abitur zog er, nach einem Zwischenstopp in Rosenheim, 2013 nach Berlin. Von 2016 bis 2019 absolvierte er ein Schauspielstudium an der Filmuni Babelsberg Konrad Wolff und trat 2018 im Hans-Otto-Theater Potsdam auf. In TV-Nebenrollen war er u.a. in „Soko Leipzig“, „Polizeiruf 110“, „Eine Billion Dollar“, „Para – Wir sind King“ und „Notruf Hafenkante“ zu sehen. Als Stand-up-Comedian tritt er regelmäßig deutschlandweit auf. Aktuell schreibt er sein erstes Soloprogramm und geht damit im Herbst 2024 auf Tour.

+++ Dieses Interview wurde im Februar 2024 geführt und ist in einer Kurzversion im März im gedruckten Tagesspiegel sowie auf Tagesspiegel.de erschienen. +++

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