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Partypleaser der Gen Z: So war das Konzert von Fred Again in Berlin

Vom Geheimtipp zum Shooting Star: Der britische Superproduzent und Songwriter Fred Again begeistert bei seinem ausverkauften Berliner Konzert am 12. September 2023 in der Mercedes-Benz-Arena.

Fred Again live am 12. September 2023 in Berlin (Foto: Theo Batterham / PR)

Produzent*innen im Pop bleiben meist ein Leben lang im Hintergrund. Die Stars sind die, die vorne stehen. Bei Frederick John Philip Gibson aus Südlondon ist das anders. Der 30-jährige DJ, Songschreiber, Multiinstrumentalist und Sänger durchläuft gerade eine ziemliche Transition: Unter seinem Künstlernamen Fred Again schrieb er für und mit George Ezra, Clean Bandit, Rita Ora und Ed Sheeran, feiert Features mit Swedish House Mafia, Future, The Streets, Romy Madley Croft (The xx) und Dermot Kennedy, legt mit Skrillex und Four Tet auf.

Als 27-Jähriger wurde er 2020 jüngster „Producer Of The Year“ bei den BRIT Awards. Spätestens seit Beginn seiner bisher dreiteiligen „Actual Life“-Albumreihe, für deren Tracks Skits, also Gesprächsfetzen aus Zufallsbegegnungen herhielten, sowie eines gefeierten Boiler-Room-Sets und seinem Headliner-Auftritt beim Glastonbury Festival 2023 ist Gibson in England ein Star.

Das hat sich via TikTok, YouTube und Streaming-Algorithmen auch ohne klassisches Marketing bis nach Deutschland herumgesprochen: Am Dienstag verkaufte der nette Kerl aus gutem Hause – der legendäre Brian Eno war ein Nachbar seiner Familie, mit ihm brachte er im Mai die Ambient-Platte „Secret Life“ heraus – die Mercedes-Benz-Arena aus. Und bewies eindrucksvoll, dass seine Clubmusik zwischen Bon Ivers Intimität, James Blakes fragilem Post-Dubstep, Grime-Gästen und den tiefsten Bässen aus der Underworld auch in sehr großen Hallen funktioniert.

Im zeitgemäßen Selfiemodus filmt Fred Again sich mit einem Smartphone selbst, während er die Bühne betritt. Die Kamera soll ihn in den nächsten anderthalb Stunden nicht mehr verlassen. Auf einer von fünf Hochkantleinwänden, die seinen Livestream zeigen und selbst wie gigantische Smartphones wirken, begrüßt er sein Publikum mit einer Textnachricht. Schon nach den ersten Zeilen von Gastsängerin Roze, wie alle anderen Features von Gibson per Video eingespielt, hat er all die 20- bis 40-Jährigen aus Berlin, Birmingham und Barcelona, die angereist sind und Schilder wie „Father Frederick“ in die Luft halten, auf seiner Seite.

Der Prediger teilt seine Jünger wie das Meer, durchschreitet es und performt unter vier weiteren Leinwänden inmitten der Arena, spielt in „Rumble“ sogar Deutschrap ein, wiederholt seine Signature-Beats, bis seine Finger nicht mehr können und die Crowd nach dem nächsten Level lechzt. Das unterscheidet ihn von vielen konventionelleren DJs: Fred Again ist ein Live-Künstler.

Er sitzt oder steht am Piano, bedient sein Launchpad, baut immer wieder freihändig vorproduzierte Visuals, gesammelte Fragmente und Hooklines seiner „Actual Life“-Protagonist*innen ein, loopt sich selbst beim Percussioning und singt dabei, als wäre er ganz bei sich. Support kriegt er allein von seinem Buddy Tony, der Backing Tracks auf seinen CDJs mischt, Effekte einwirft und eine viel größere Rampensau als der Main Act zu sein scheint.

Persönlich wird es auch: Zurück auf der Hauptbühne widmet Gibson „Adore you“, seine jüngste Single mit dem nigerianischen Afrobeat-Sänger Obongjayar, den wir ebenfalls auf den Leinwänden sehen, seiner Schwester sowie seiner Nichte, die in der Nacht nach seinem Glastonbury-Set zur Welt kam.

Im Finale lässt er nach seinem Banger „Delilah (Pull Me Out Of This)“ das Publikum immer und immer wieder die Zeilen „I’ve been lost for a while, but I’m really trying“ aus „Angie (I’ve been lost)“ singen. Das gefällt ihm, jetzt ist der auch hier kommende Pop-, HipHop- und House-Superstar ganz bei sich – und sein Status dämmert ihm bei geschlossenen Augen womöglich: einer, der hier mindestens im Mainstream noch kein Name ist und schon jetzt, kein Jahr nach einem Gig im Ufo im Velodrom, die größte Halle der Stadt (und die viertgrößte Deutschlands) ausverkauft. Wo tritt der bitte in drei Jahren auf?

+++ Dieser Text erschien am 13.09.2023 auf Tagesspiegel.de und am Tag darauf im gedruckten „Tagesspiegel“. +++

http://fabian-soethof.de/2024/02/07/listenwahn-die-alben-des-jahres-2023/

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