Mark Benecke kann gut Blut sehen. Dr. Mark Benecke ist Kriminalbiologe und den meisten unter dem Spitznamen „Herr Der Maden“ oder als derjenige bekannt, der Hitlers mutmaßlichen Schädel untersuchte. Weil Benecke nicht nur ein Mann vom Fach ist, sondern auch noch anschaulich, fundiert und hochunterhaltsam über seine Arbeit und die Welt der Wissenschaft erzählen kann, ist er immer dann ein gern gesehener Experte in Funk und Fernsehen, wenn CSI, Dexter, Quincy und Co. auf ihren Realitätsanspruch abgeklopft werden sollen. Auf radioeins berichtet Benecke jeden Samstag um 11:15 Uhr von Fachkongressen aus aller Welt, über neue Absurditäten aus der Forschung und bricht mit falschverbreiteten Annahmen. So habe ich unter anderem erfahren, welche Rolle die Körpergröße bei Frauen und Männern im Job spielt (Psychologie), welche Insekten am Leichnam welche Todesdauer verraten (vergessen) oder warum es keine Bierbäuche gibt (alles Wasser). That’s Infotainment.
Kein Wunder, dass Benecke auch zum Thema Exorzismus aus dem Vollen schöpfen kann. Anlässlich des bevorstehenden deutschen Kinostarts von „Der Letzte Exorzismus“ sprach er vergangenen Freitagabend in der Berlin-Friedrichshainer Bar „Zur Wilden Renate“ und in Begleitung seiner Frau über Blutungen aus Mariafiguren und echten Menschen („alles Fake, was bisher untersucht wurde“), über medizinische Erklärungen von scheinbaren Besessenheiten (Körperstarre = Katatonie = extreme Form der Schizophrenie) und über deren Deutungsversuche (Teufel, Geheimdienst, UFOS). Anschließend standen Produzent Eli Roth und Regisseur Daniel Stamm einer Handvoll Fans Rede und Antwort. Nur an einem Punkt ging Benecke zu weit: Mit der lediglichen Warnung, dass all diejenigen, die kein Blut sehen können, lieber wegschauen sollten, zeigte er das Mordvideo, in dem fünf mutmaßliche Al Qaida-Terroristen vor laufender Kamera den Amerikaner Nick Berg enthaupteten und das 2004 durch die einschlägigen Kanäle und um die Welt ging. „Das kann doch nicht echt sein“, habe es damals geheißen, „das Blut sieht so künstlich aus“. Benecke: „Doch, das ist echt. Echtes Blut wird gemeinhin als künstlicher wahrgenommen. Deshalb verwendet man in Hollywood immer Kunstblut, weil es für unser Auge echter aussieht.“
Fest steht: Gegenüber Eli Roth, bestens bekannt als „Bärenjude“ in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“, müsste Benecke demnach schon beruflich klar im Vorteil sein. Glaubt man nämlich der deutschsprachigen Wikipedia, dann leidet der Splatter- und Gore-Regisseur („Cabin Fever“, „Hostel 1 & 2“), -Schauspieler („Death Proof“, „Inglourious Basterds“) und -Produzent unter eine sogenannten Hämatophobie. Er kann demnach kein Blut sehen.
Die Wikipedia-Autoren berufen sich dabei auf ein Interview der mittlerweile eingestellten redaktionslosen netzeitung. Dieter Oßwald wiederum beruft sich dort auf ein Gerücht ohne Quellennennung. Roth antwortet, was jeder normale Mensch antworten würde: „Im Kino kann ich jegliche Gewalt anschauen, dort weiß man, dass alles nur Tricks sind. Bei echter Gewalt wird mir übel“. Aber weil die Überspitzung dessen natürlich ein gefundenes Fressen ist, da sich dadurch „eine besondere Ironie zu seinen Filmen ergibt“ (Wikipedia), kam auch ich, als ich nun die Gelegenheit hatte, mit Roth zu sprechen, nicht umhin, eben diese Gelegenheit zu nutzen und die so naheliegende Frage zu stellen: „Mr. Roth, stimmt die Legende, dass Sie kein Blut sehen können?“ Und so lautete seine Antwort: „Oh, I mean, I don’t like that side of life, but I’ve actually gotten more used to it. But I can’t look at real violence, it’s too upsetting. I see the images of real violence and it stays in my head. Anything I see in the movies is like I saw it in a painting or a photograph, it’s not real. It’s a representation of violence. With real violence I have trouble seeing, as most people do.“ („Ich mag diese Kehrseite des Lebens nicht, habe mich aber daran gewöhnt. Gewaltszenen in Filmen sind für mich wie Gemälde oder Fotos – sie sind nicht echt. Reale Gewalt kann ich mir nur schwerlich ansehen. Da geht es mir wie den meisten Menschen.“)
Und weil man einem anerkannten Kriminalbiologen mehr Glauben schenkt: Auch Dr. Mark Benecke fand diese Frage so naheliegend, dass er sie Roth auf dem Podium stellte. Roths Antwort war sinngemäß die gleiche wie ein paar Stunden vorher in den Interviews: „Durch meine Rolle in ‚Inglourious Basterds‘ musste ich mich an einiges gewöhnen“. Womit bewiesen wäre: Von einer waschechten Hämatophobie kann also keine Rede sein. Vielleicht kann dieses Paradebeispiel von investigativem Journalismus meine angekratzte Seriosität endlich wiederherstellen.
2 Gedanken zu „Benecke und das Blut des Bärenjuden“