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Dem Hund geht es nicht gut

Mich durchfuhr der Hauch eines Schocks beim ersten Anblick der folgenden Überschrift (und das nicht, weil Angelika Milster jetzt wie Gwyneth Paltrow aussähe):

Angelika Milster in der Freizeit Revue: Tod nach Routine-OP?
Angelika Milster in der "Freizeit Revue": "Tod nach Routine-OP"

Ärztepfusch? Allergie? Eine unentdeckte Krankheit? Was ist da bloß passiert? Bevor Sie lange rätseln –

hier die Auflösung:

Angelika Milster und Dackeldame Erna in der Freizeit Revue
"Es braucht noch Zeit für eine neue Liebe": Trauer um Dackeldame Erna, nicht um Angelika Milster

Arme Erna, wirklich. Aber auch: Puuh! Und das war nur die erstbeste Seite, die ich aufschlug. Das wird noch eine wahre Adrenalin-Achterbahnfahrt, die weitere Lektüre der „Freizeit Revue“. Darauf einen Schmortopf.

(Mehr Klatschblatt-Skandale hier, hier und hier, zum Beispiel)

Usher twittert fremd

Die Bild-Zeitung kauft laut eigenen Angaben ja kein Mensch. Wenn einer weiß, was heute oder neulich in Deutschlands größtem Boulevardblatt steht oder stand, dann hat er es zufällig aufgeschnappt, im Vorbeigehen am Kiosk gesehen, auf BILDBlog gelesen oder bei Twitter re-tweeted. Die rückläufigen Verkaufszahlen, die Chefredakteur Kai Diekmann dank dem Trend entgegengesetzter Reichweitensteigerung natürlich zu seinem Vorteil auszulegen wusste, scheinen das nachhaltig zu belegen. Ein Blick in die Warterunde an einem gewöhnlichen Dienstagmorgen um 6:20 Uhr am Flughafen Tegel aber offenbart ein anderes Bild: Trotz des reichhaltigen Angebots an qualitätsjournalistischen Gratis-Produkten von Tagesspiegel bis Süddeutsche Zeitung blättern zwei Drittel der wartenden Geschäftsreisenden durch die Bild-Zeitung. „Kenne Deinen Feind“, wie sie sicherlich auf Nachfrage erklären oder auf die angeschlagene Aufmerksamkeitspanne um diese Uhrzeit hinweisen würden. Will sagen: Dank des heutigen Knaller-Aufmachers (Udo Lindenberg: „So wurde ich zum Rockstar – Nie nüchtern, immer mit Hut, um DDR kümmern“) habe auch ich beherzt zugegriffen.

Auch wenn Reizthemen wie (bitte füllen Sie aus) zu einer populistischen und um Qualitätsjournalismus bemühten Blattkritik animierten – als ich die Zeitung so durchblättere, bleibe ich besonders auf zwei Seiten hängen: Auf Seite 4 stellt „Deutschlands berühmteste Internet-Mode-Expertin“ ihre Fashiontipps für 2011 vor. Jessica Weiß, Bloggerin bei LesMads.de, frischgebackene Buchautorin („Modestrecke“) – und eine sehr geschätzte Bürokollegin von mir. Die Themensetzung jedenfalls zeigt: Man kann schon jetzt nicht mehr über die offenkundige Online-Kompetenz der Bild-Kollegen hinwegsehen, die am gestrigen Neujahrsempfang der ungleich seriöseren Verlagsschwester Berliner Morgenpost stolz (Bild und Familie berichteten auf zwei Seiten) die neuen iPhone- und iPad-Apps des Hauses vorstellten.

Und dann das. Auf der letzten Seite, die ich in Wahrheit natürlich zuerst gelesen angeschaut habe, steht der R’n’B-Star Usher mit schicker Winterjacke vorm Berliner Hotel De Rome. Und was macht er in der Hauptstadt, wenn sein Konzert doch erst einen Tag darauf stattfinden wird? Richtig, er tippt auf seinem Smartphone herum. Bild weiß natürlich mehr: „Beim Kurznachrichtendienst Twitter.de schrieb er: ‚Berlin, seid ihr bereit?'“

Wer das als großer Fan gleich selbst überprüfen möchte, wird enttäuscht. Auf dem angeblichen Kurznachrichtendienst Twitter.de findet sich leider kein Statement von Usher, ja nicht einmal ein Hinweis auf den Superstar und seine digitale Existenz. Was nur vielleicht daran liegt, dass die Domain Twitter.de einer Firma namens Melbourne IT Digital Brand Services gehört, die ihren Service auch erklärt – „This Internet address is being managed by Melbourne IT DBS for one of the world’s top brands. At the present time there is no active Web Site for the address. It may be under construction, or the owner may have reserved the address for future needs.“ – und der vielleicht nur zufällig genauso heißende Kurznachrichtendienst Twitter auf .com endet und die deutsche Domain bislang offenbar nicht gekauft hat.

So ein Fehler kann freilich mal vorkommen. Die eigentliche Quelle stimmte ja ungefähr doch, und wahrscheinlich wissen Bild und seine unergründlichen Informanten in Wahrheit noch viel viel mehr. Woher sollten sie sonst wissen, dass William Baldwin mit seiner Ehefrau Telefonsex via Skype hat? BILDBlog, übernehmen Sie.

Eine leidenschaftliche Gemengelage

Es schickt sich ja als journalistisch tätiger und weiterhin tätig sein wollender Mensch nicht, sich mit der PR anzufreunden. Diese ganze Agenturbrut, das lernte ich schon an der Uni, ist der ausgemachte Feind, die Ausgeburt des Teufels. Erst wollen sie ein gutes öffentliches Wort von Dir, dann wollen sie Deine Seele. Alle.

Tatsächlich gibt es gute Gründe und milliausend schlechte Beispiele für diese Übertreibung. Im BILDblog und diversen anderen Medien entdecken sie schließlich regelmäßig solche Missstände, die Branchenfremden vielleicht halb so wild erscheinen mögen, die es aber zu entdecken und zu benennen gilt. Darum steht im Pressekodex unter anderem geschrieben:

Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. (…)

Wenn es doch immer so einfach wäre. Die mantraartige Wiederholung dieser Linie ist richtig und zwingend notwendig, weil die damit verbundene Haltung in der Praxis leider immer noch keine seltener eine Selbstverständlichkeit ist oder sein kann („Harte Zeiten, der schwierige Anzeigenmarkt, dieses Internet“, Sie kennen die alte Leier). Zweifel, Hinterfragung und kritische Grundeinstellung sollten Grundreflexe eines jeden Redakteurs sein, ob er nun für FAZ, taz, Musikexpress, InStyle, Rheinische Post, Bild.de oder sonst wen arbeitet. Auch ich muss da bei meinem Arbeitgeber täglich aufpassen.

Was aber bedeutet diese Trennung außerhalb der jeweiligen Publikation, in der leider manchmal und aus verschiedenen Gründen anders aussehenden Berufsrealität, sprich: in der Praxis der Autoren? Ich kenne viele (freiberufliche) Kollegen, die sich mit dem Verfassen von Pressetexten Honorare einstreichen, wie sie im Journalismus nur noch als feuchte Träume existieren. (mehr …)