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„Everything Sucks!“ auf Netflix: Willkommen in der Langeweile

Neunziger-Nostalgie, Highschool-Ärger, unverbrauchte Teeniedarsteller, gute Musik: Die neue Netflix-Serie „Everything Sucks!“ bringt alles mit, was ein potentieller Hit so braucht. Leider geht die Rechnung trotzdem nicht ganz auf.

Szene aus „Everything Sucks!“: Luke und Kate vor dem Ortsschild ihrer Heimat Boring, Oregon (Netflix)
Szene aus „Everything Sucks!“: Luke und Kate vor dem Ortsschild ihrer Heimat Boring, Oregon (Netflix)

Die gute Nachricht zuerst: „Everything Sucks!“, die neue Dramedy- und Coming-of-Age-Serie auf Netflix, hat eigentlich alles, was eine Erfolgsshow dieser Tage ausmacht: Nostalgie, nerdige Kids, Witz und einen beeindruckenden Soundtrack. Die schlechte Nachricht: Leider wurden diese Zutaten von anderen Serien, die allesamt als offensichtliche Vorlagen für „Everything Sucks!“ dienten, bereits besser und weniger halbgar zusammengesetzt. Dabei könnte „Everything Sucks!“ so schön sein.

In der real existierenden US-Kleinstadt Boring (!), mitten in den Neunzigern: Das neue Schuljahr beginnt, auch für die drei Kumpels Luke, McQuaid und Tyler. Sie werden als selbstbewusste Außenseiter inszeniert, die sich im Filmclub anmelden. Luke lernt dort Kate, Tori-Amos-Fan und Tochter des Dadjoke-Direktors kennen, und repariert ihre Kamera – und verliebt sich natürlich. Seine Freunde feiern ihn dafür, überhaupt mit einem Mädchen gesprochen zu haben, mit seiner Mutter bespricht er sein weiteres Vorgehen. Blöd für ihn: In seiner Garage findet Kate Tittenheftchen von Lukes Vater, stiehlt eines – und entdeckt damit ihre Sexualität für sich. Zeitgleich wird sie von einer älteren Mitschülerin, Dramaclub-Mitglied Emaline Addario, beweislos geoutet und gemobbt. Ihr Leben und das von Luke und seinen Jungs wird fortan nicht einfacher, aber eben auch nicht langweiliger.

„Everything Sucks!“ ist theoretisch eine ganz und gar wunderbare Serie

„Everything Sucks!“, dessen Titel der gleichnamigen Descendents-Platte entliehen sein dürfte, punktet zuerst durch seine Musik: Folge 1 der 1. Staffel beginnt mit dem Ska(te)punk-Hit „The Impression That I Get“ der Mighty Mighty Bosstones. In einer Schlüsselszene schenkt Luke Kate Oasis‘ neues Album (WHAT’S THE STORY) MORNING GLORY?, im weiteren Verlauf hören wir die Spin Doctors, The Presidents Of The United States Of America, Weezer, und, natürlich, immer wieder Tori Amos.

So altbekannt wie die Songauswahl auf Dauer aber gerät, so vertraut scheint dem geneigten Binge-Watcher auch das Drumherum: Retrofaktor und Cast von „Everything Sucks!“ – ein Afroamerikaner, ein Geek und ein philosophierender Klugscheißer, dazu ein Fönfrisur tragender älterer Mitschüler – erinnern an „Stranger Things“ (Kate sieht sogar aus wie eine Schwester von Dustin), deren Lunch-Gespräche erinnern an „Big Bang Theory“.

Das Kameragetüftel kennen wir aus Spielbergs und JJ Abrams‘ „Super 8“, den frustrierten Blick Heranwachsender auf die Welt zuletzt aus „The End Of The F***ing World“, das wahrhaftige Depressionspotential an Highschools aus „Tote Mädchen Lügen Nicht“. Vor allen Dingen aber wirkt „Everything Sucks!“ in jeder Sekunde wie der Versuch einer Neuauflage von „Freaks And Geeks“ (deutscher Titel: „Voll daneben, voll im Leben“), der kommerziell gefloppten, aber sehr kultigen und einflussreichen Teenieserie von Judd Apatow, die späteren Stars wie James Franco, Seth Rogen und Jason Segel ihre ersten größeren Rollen bescherte. Dass die zehn Folgen jeweils nicht länger als 27 Minuten und deshalb immerhin flott wegzugucken sind, hilft der fehlenden Charakter- und Handlungsentwicklung leider nicht. Dadurch entstandene plakative Dialoge und teilweise plattes Schauspiel tun ihr Übriges dafür, dass „Everything Sucks!“ theoretisch eine ganz und gar wunderbare Serie ist – praktisch ihre Vorlagen aber sehenswerter sind. Wenn man die nicht allesamt schon gebingewatched hätte.

„Everything Sucks!“, Staffel 1 erschien am 16. Februar auf Netflix, eine 2. Staffel wurde nicht in Auftrag gegeben

Diese Kritik erschien zuerst am 21. Februar 2018 auf musikexpress.de.

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