Limp Bizkit gehen wieder auf Tour, Korn und Linkin Park immer noch. Ist Nu Metal wieder lebendig oder immer noch nicht tot?
Fred Durst ist alt geworden. Wenn er nicht gerade auf der Bühne herumspringt, die Hände in die Höhe reißt und wie vor zehn Jahren „I did it all for the nookie!“ („Es geht mir um nichts als Sex!“) in die Menge ruft, trägt der 40-jährige Frontmann der US-Rockband Limp Bizkit statt roter Baseballkappe und weiten Shirts heute Glatze, graumelierten Bart und Nadelstreifenanzug. Durst ist Labelboss, Schauspieler und Videoregisseur. Auch privat kam bei dem einstigen Sprachrohr einer von lauter Hedonismus gelangweilten Generation dank Verlobungen, zweier Kinder, Hochzeit, Trennung und aufgetauchter Sex-Videos keine Langeweile auf. 2009 aber, sechs Jahre nach dem vierten und bis dato letzten offiziellen Bandalbum „Results May Vary“, muss ihm das damals leicht verdiente Geld endgültig ausgegangen und das traute Dach auf den Kopf gefallen sein: Limp Bizkit, neben Korn die Speerspitze des vor zehn Jahren so angesagten Nu Metal-Genres, gingen auf Comeback-Tour. Und tun es jetzt wieder.
Im Rückblick konnte Nu Metal nur in den Neunzigern entstehen: Die US-amerikanische Rockmusik hatte zwischen Bush Sr. und Jr. außer sich selbst nichts, über das sie sich ernsthaft hätte beschweren können. Erst machte Grunge Wut und Gitarren, HipHop Sprechgesang und Turntables sowie Crossover beides gemeinsam salonfähig. Dann machte ein neuer Haufen junger Wilder, die mit Bands wie Public Enemy, Rage Against The Machine und Slayer aufwuchsen, mit weiten Hosen, großen Klappen und – das unterschied sie von ihr Vorbildern – unpolitischer Attitüde von sich reden. Einer von ihnen: Jonathan Davis, ein ehemaliger Leichenbestatter und langhaariger Dudelsackspieler, der sich und seine Texte nur mit der Droge Prozac aufrecht erhalten konnte. Ein anderer: Fred Durst, ein Tätowierer und Ex-Roadie, der über Dollars und Bitches rappte. Solche Typen gab es bislang nur im HipHop. Korns gleichnamiges Debüt wurde von Metalszene und Mainstream gleichermaßen als Revolution gefeiert, Limp Bizkits George Michael-Cover „Faith“ landete bei MTV in der Heavy Rotation. Weil es dem etablierten Musikbusiness finanziell so gut wie danach nie mehr ging, ließen Majorlabel-Verträge artverwandter Bands wie System Of A Down, Staind oder Disturbed nicht lange auf sich warten.
Auch jüngere Bands hatten die neue Marschrichtung erkannt. Zu Beginn des neuen Jahrtausends, als Korn und Limp Bizkit ihren kreativen Zenit längst überschritten hatten, tourten Linkin Park noch im Vorprogramm von Szenegrößen wie Incubus und den Deftones. Schon mit ihrer ersten Single „One Step Closer“ enterten sie Charts und Radiosender. Ihr Wegbereiter Fred Durst brüstete sich indes damit, in seinem Song „Hot Dog“ 48-mal „fuck“ zu singen und hatte offenbar sonst nichts mehr zu sagen. Dem kommerziellen Erfolg des Genres tat das keinen Abbruch: Jonathan Davis und Korn gingen trotz zuletzt drei peinlich schwacher Alben weiterhin auf Welt-Tournee, Linkin Park avancierten zu Megasellern und füllen auch zehn Jahre nach ihrem Durchbruch Stadien. Limp Bizkit hielten ihr Erbe mit Live- und „Greatest Hitz“-Alben künstlich am Leben. Auf kreativer Ebene ist Nu Metal seit Jahren tot. Wenn Fred Durst und seine Jungs nun in Ursprungsbesetzung und mit neuem Album „Gold Cobra“ trotzdem wieder „am Start“ sind, lässt das nur einen Schluß zu: Das Geld fließt wieder. Für ein bisschen Party und Nostalgie zahlt man doch noch immer gerne.
KONZERTE:
Limp Bizkit, 23.9., 20 Uhr, C-Halle, Tickets 45 Euro, www.limpbizkit.com
Korn, 6.10., 20 Uhr, C-Halle, Tickets 40 Euro, www.modlife.com/korn
Linkin Park, 20.10., 20 Uhr, O2-World, Tickets ab 59 Euro, www.linkinpark.com
(erschienen in: zitty 20/2010)