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10 Fakten über deutschsprachige Musik-Podcasts – und 12 weitere Empfehlungen

Für den Musikexpress listete ich im Herbst 2023 diverse Pop-Podcasts auf und warf ein kleines Spotlight auf diese Nische. Seitdem sind mir viele weitere empfehlenswerte Podcasts über die schönste Nebensache der Welt auf die Ohren gekommen. Ein loser Überblick.

Im September 2023 bat mich unser aller Freund und Pop-Helfer Linus Volkmann, für den Musikexpress die Rubrik „10 Fakten“ mit dem Thema Musikpodcasts zu bespielen. Habe ich getan. Das Ergebnis erschien gekürzt als „9 Fakten“, haha, in der Ausgabe 11/2023, siehe oben. Die von mir abgegebene längere Version findet Ihr nun hier. Darunter droppe ich noch die Namen von ein paar weiteren Musikpodcasts, die ich seitdem entdeckt habe und ebenfalls empfehlen kann. Würde sie auch gerne embedden oder verlinken, aber Ihr nutzt ja alle verschiedene Streaming-Anbieter, Ihr findet die Shows schon selbst. Welche Tipps habt Ihr für mich?

10 Fakten über… deutschsprachige Musikpodcasts

  1. Der Boom hält an: 2022 gaben 43 Prozent der Deutschen an, mindestens gelegentlich Podcasts zu hören. 2016 waren es noch 14 Prozent. Die beliebtesten Genres innerhalb der rund 70.000 nationalen Produktionen sind Nachrichten, True Crime und Unterhaltung, ein paar hundert dürften zu „Musik“ zählen.
  2. Problem: Aus rechtlichen Gründen sind Songbeispiele nur in journalistischen Formaten als mehrsekündiges Zitat erlaubt. Streamingdienst Spotify schuf Abhilfe durch sein Anchor-Feature „Music & Talk“. Neues Problem: Songs lassen sich damit nur komplett innerhalb einer Podcastfolge ab-, aber nicht lediglich anspielen.
  3. Was früher die eigene Radiosendung war, ist heute – neben einem TikTok-Channel bei Acts unter 25 – trotzdem ein eigener Podcast: Blond haben einen, Casper und Drangsal, Beatsteaks-Arnim spricht in „Poparazzi“ mit Mine, Betterov und Co. übers Songwriting. Den Bedarf haben auch die Öffentlich-Rechtlichen erkannt und stellen neben eigenen Podcasts wie etwa „Off The Record“ vom Deutschlandfunk Kultur ihre Shows – der Jugendsender Puls vom BR etwa die von Fatoni, Kraftklub und Roger Reckless – als Podcast-Fakes nachträglich auf Abruf. Sogar die Musikstimme der Öffis schlechthin, ESC-Kommentator Peter Urban, moderiert eine eigene, gar nicht mehr so neumodische Sendungsart. Ihr Name: Urban Pop.
  4. Trotz begleitender Kolumne in yours truly Musikexpress: Den Musiktalk „Reflektor“ von Tocotronics Jan Müller hätte es nach rund drei Jahren fast nicht mehr gegeben, bis Studio Bummens („Apokalypse und Filterkaffee“, „Baywatch Berlin“ u.v.m.) ihn erfolgreicher than ever machte. Danke dafür!
  5. Jeder Podcast mit Nilz Bokelberg of VIVA-Fame lohnt sich: Ob in seiner „Nilz Bokelberg Erfahrung“ im Gespräch mit Christiane Rösinger, Balbina, Adel Tawil oder Jochen Distelmeyer, im von ihm geskripteten „Laute Legenden. Wacken.“ oder als Gast in der Grunge-Folge unseres 90s-Podcasts „Never Forget“ – so viel unzynische, fast kindliche Leidenschaft gepaart mit Expertise erlebt man in dieser Branche selten. Oder feiert im Jahr 2023 ernsthaft noch irgendwer Weezer ab?
  6. Einer der langlebigsten Deutschrap-Podcasts hieß „Schacht und Wasabi“. Jule Wasabi heißt nun Lobo und moderiert mit ihrem Mann Sascha „Feel The News“, Journalist Falk Schacht „Queerer Deutschrap“. Souverän auch „Machiavelli – Rap und Politik“ mit Jan Kawelke und Vassili Golod, der hauptberuflich Kriegsreporter und Ukraine-Experte ist. Checkt auch mal die „Homegirls“ aus.
  7. Für Klatsch- und Tratschfans seziert Elena Gruschka („Niemand muss ein Promi sein“) in „Mensch!“ die Karrieren von Michael Wendler, Tic Tac Toe oder Bushidos Frau Anna-Maria Ferchichi. Wer Gossip lieber aus erster Hand hört, gibt sich „Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood“ von Tokio Hotels Bill und Tom. Überraschend ehrlich und kurzweilig! Ebenfalls kein Musikpodcast, aber einer, in dem es immer wieder auch darum geht: In „Hotel Matze“ spricht Ex-Virginia-Jetzt-Bassist Matthias Hielscher ruhig und intensiv mit deutschsprachigen Schauspieler*innen, Politiker*innen und Musiker*innen, zuletzt etwa mit Jan „Monchi“ Gorkow von Feine Sahne Fischfilet, Philipp Grütering von Deichkind und Nina Chuba.
  8. Am hörenswertesten sind oft die so genannten Deep Dives: „Mein Freund Floh“ über eine Band im linken West-Berlin der 80er, „Diese eine Liebe“ über Die Ärzte oder „1Live Ikonen – Die Toten Hosen“, zum Beispiel. 
  9. Theorie gibt’s zumindest im Radio von Musikwissenschaftler und Kabarettist Markus „Dr. Pop“ Henrik oder Komponist Prof. Dr. Hartmut Fladt. Weil wir als Indiemagazin Eures Vertrauens keine Ahnung von Klassik haben, empfehlen wir ungehört Igor Levits Klavierpodcast. Der Star trat schließlich bereits mit Danger Dan auf. Und Metal? „Metal Hammer“-Chefredakteur Sebastian Kessler spricht von einer lebendigen Fanzine-Podcastszene und empfiehlt „Met und Moshpit“ von und mit Saltatio Mortis, „weil kaum eine Band dieser Tage umtriebiger ist als die Mittelalter-Rocker und sie hier sympathisch, witzig und ehrlich hinter die Kulissen blicken lassen“.
  10. Dass Olli Schulz nicht nur Dampfplauderer, sondern auch Singer-Songwriter war und ist, dürften mittlerweile auch die wissen, die ihn „nur“ von seinem Podcast „Fest und Flauschig“ mit Jan Böhmermann kennen. Die dortige Reichweite nutzt Schulz, um eine Spotify-Playlist namens „Fidi und Bumsi“ zu bespielen. Die umfasst nunmehr über 1500 Songs und wird von über 344.000 Usern gefolgt.

Weitere deutschsprachige, teilweise qualitativ sehr hochwertige Storytelling-Musikpodcasts, die ich seitdem gehört habe oder gerne noch hören möchte:

„Rammstein – Row Zero“

Der Podcast zum fast gleichnamigen Buch „Row Zero“ von Daniel Drepper und Lena Kampf: In „Rammstein – Row Zero“ berichtet Investigativjournalistin Elena Kuch in vier Folgen über die Recherchen zu Till Lindemann, dessen Castingsystem und mutmaßlichem Machtmissbrauch. Zu Wort kommen unter anderem betroffene Frauen, ein ehemaliger Rammstein-Mitarbeiter und Musikjournalist und Moderator Markus Kavka.

„This Band is Tocotronic“

Danke, RBB: In neun Folgen beleuchtet Host Stefanie Groth den Aufstieg von drei Trainingsjacken und Seitenscheitel tragenden Hamburger Studenten hin zu einer der konstantesten (Indie-)Rockbands des Landes, das Phänomen „Hamburger Schule“ und was die Karrieren von Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Arne Zank und Rick McPhail über die deutsche Musikszene erzählen. Zu Wort kommen nicht nur die Tocos selbst, sondern auch Weggefährt*innen wie Produzent Moses Schneider.

„Der Soundtrack meines Lebens“

Diesen Podcast kannte ich natürlich damals schon, droppte ihn nur deshalb vielleicht unfairerweise nicht, weil Host Jan Schwarzkamp als Redakteur bei der „Visions“ und damit einerseits bei der Stammlektüre meiner späten Teenagerjahre, andererseits aber eben auch bei einer Art Konkurrenz des „Musikexpress“ arbeitet. War Quatsch: Jan luden wir in der ersten Staffel von „Never Forget – der 90er-Podcast“ bereits als Experte zum Thema „Emo“ ein, in seinem Podcast spricht er sehr besonnen, freundlich, offen und gut vorbereitet mit jüngst etwa König Boris, Sebastian Krumbiegel und Christina Stürmer, aber auch mit Foto- und Regielegende Anton Corbijn, Moderatorin Aminata Belli, Regisseur Christian Alvart und Schauspieler Mark Waschke. Angenehm!

„Musik ist eine Waffe – Die Geschichte von Ton Steine Scherben“

Musikjournalist Philip Meinhold in einer Art Deep Dive über Aufstieg, Fall, Geschichte und Einfluss von Ton Steine Scherben, allen voran aber von Gesicht und Ausnahmestimme Rio Reiser, einem der wohl legendärsten deutschen Musiker. Manchmal bisschen zu viel „Alte Männer reden von früher“-Vibes, abgesehen davon aber unbedingt hörenswert. Meinhold ordnet nicht nur sämtliche Stationen und Alben politisch und pophistorisch ein, er hat auch mit ehemaligen Bandmitgliedern, Freund*innen und Mitarbeiter*innen, mit Claudia Roth, Danger Dan, Herbert Grönemeyer, Marianne Rosenberg, Jan Plewka, Dota, Blixa Bargeld, Marion Brasch und vielen anderen über den damaligen Wirkungskreis und das heutige Vermächtnis von Ton Steine Scherben gesprochen.

„Die Taylor Swift Story“

In bisher drei Folgen sprechen Content Creatorin und Podcasterin Gizem Çelik und Musikerin Vanessa Mai mal fangirlig, mal journalistisch und mal erfahrungsberichtlich über die Geschichte von Taylor Swift, dem kleinen Mädchen aus Pennsylvannia, aus dem nach Anfängen im Country der größte und einflussreichste Popstar der Welt wurde. Wer sich für Swifts Musik so gar nicht interessiert: Egal – Leute, die nicht selbst Swifties sind, lernen auch was über das Business dahinter, über Mysognie, Medien und Kanye West.

„Mark Spoon: Rest in Exzess“

Dieser Podcast sei hier nur genannt, weil ich ein Kind der 90er bin und er mir als solches auf der re:publica 2024 von Alexander Matzkeit empfohlen würde. Geht um den Kerl hinter Jam & Spoons Eurodance-Hit „Right In The Night“ und was für ein (früh verstorbener) Hans-Dampf-in-allen-Gassen er gewesen sein soll. Unter anderem Michi Beck von den Fantastischen Vier kommt als guter Freund zu Wort. Mein erster Eindruck: Befürchte, Produzent und DJ Spoon war einer, der unter heutigen moralischen Gesichtspunkten gar nicht mehr ginge. Aber dass er bürgerlich Markus Löffel hieß, finde ich nach wie vor ein bisschen lustig.

„Ordentlich durcheinander: Der Familienpodcast von Deine Freunde“

TBH: Habe nur die ersten 20 Minuten der ersten Folge gehört. Weil ich aber außerdem ein Elternblog betreibe, für das ich dieses grundsympathische Trio neulich interviewte, weil meine Kinder gerne ihre Musik pumpen und weil dieser Podcast bestimmt nicht der schlechteste Weg ist, die nächste Generation an dieses Medium heranzulassen, sei „Ordentlich durcheinander“ hiermit fast ungehört empfohlen.

„Milli Vanilli: Ein Pop-Skandal“

Aminata Belli erzählt mutmaßlich – ich habe diesen Podcast noch auf meiner To-Hear-Liste – die Geschichte von Milli Vanilli nach. Und damit die von zwei jungen Menschen, die in der Münchner Partyszene von Frank Farian entdeckt und als Produkt in die Charts gebracht wurden, bis aufflog, dass sie nicht nur nicht live singen, sondern dass auch die Studioaufnahmen ohne ihre Stimmen auskamen. Erzählt wurde die vor ein paar Monaten auch im Kino, anlässlich des Todes von Farian postete ich im Januar ein Outtake aus meinem kommenden Buch „Back for Good – Warum uns die Musik der 90er nicht loslässt“ auf Facebook.

„Fuck you very, very much!“

Auch noch nicht gehört. Aber wegen des Themas „Die größten Beefs im Musikbiz“ und wegen der Hosts – Markus Kavka ist ein guter Mann, Jennifer Weist eine gute Frau – gehöre ich prinzipiell durchaus zur affinen Zielgruppe. Will check out soon.

„Soundcheck“

Wer ungefähr darüber im Bilde sein möchte, welche relevanten neuen Alben am jeweiligen Freitag so erscheinen und keine Musikmagazine (mehr) liest, darf sich grundsätzlich über die Sendung „Soundcheck“ auf meinem Lieblingssender „Radio Eins“ freuen. Vier Kritiker*innen stellen vier Neuheiten vor und diskutieren fundiert darüber. No offense gegen irgendwen persönlich, aber: Obwohl ich hier streng genommen über meine eigene berufliche Bubble spreche, empfinde ich dieses Format mitunter als anstrengend und latent elitär. Höre natürlich trotzdem oft genug rein, weil: Musik! Und Meinung!

„Pop nach 8“

Wer Musikkritik schätzt und vom „Soundcheck“ nicht genug kriegen kann, darf danach gerne „Pop nach 8“ hören. Radiomoderator Andreas Müller, seines Zeichens u.a. einer der „Soundcheck“-Hosts, spricht hier mit Journalist Martin Böttcher unter den Boomer-Spitznamen Marty und Andy über die für sie und eigentlich ja auch für mich schönste Nebensache der Welt. „Jung“ würde ich das nicht nennen. Aber bin ich ja tbh selbst längst nicht mehr.

„Springerstiefel: Fascho oder Punk?“

Diese Nennung läuft außer Konkurrenz. Um Musik geht es darin nur indirekt, und dann naturgemäß um Rechtsrock. Einer der beiden Hosts aber ist Hendrik Bolz, seines Zeichens Rapper von Zugezogen Maskulin. Wie in seinem Buch „Nullerjahre“ spricht er hier über die sogenannten Baseballschlägerjahre in den „neuen Bundesländern“, über Subkulturen, Gewalt und Rassismus und geht noch weiter zurück: Er interviewt unter anderem immer wieder einen Ex-Neonazi, der über seine Taten und seinen Ausstieg sprechen will, Bolz ihm die Tiefe seines Anliegens aber nicht so recht abkaufen mag. Gut, unangenehm und wichtig.

„Never Forget – der 90er-Podcast“

Erst recht außer Konkurrenz, weil es sich dabei um meinen eigenen Podcast handelt, den ich 2020 mit Buddy Stephan Rehm Rozanes erfand und moderierte. Watch out: Season 2 might be coming soon…

„Polaks Schlagertalk“

Oh, fast vergessen: Der Schlagertalk von Udo-Jürgens-Edelfan und Komiker Oliver Polak ist auch hörbarer, als ich befürchtet hatte. Darin spricht er pro Folge gänzlich unironisch mit Stars, die in Deutschland zu recht oder unrecht dem Schlager zugeordnet werden, über eben diese Schublade, ihre Karrieren und andere Musik/er*innen – zum Beispiel mit Marianne Rosenberg, Nino De Angelo, Kerstin Ott, Beatrice Egli, Roland Kaiser und, ein nur schwer aushaltbarer Hörtipp von mir, mit Roberto Blanco, der richtiggehend wütend wird, wenn Polak mit ihm über Rassismus sprechen möchte.

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