Startseite » Darum war Pearl Jams TEN das Album, das mein Leben veränderte

Darum war Pearl Jams TEN das Album, das mein Leben veränderte

In der 800. Ausgabe des Musikexpress schrieben diverse Musiker*innen und Autor*innen zum Jubiläum über Platten, die ihr Leben veränderten. Wenig überraschend für die, die mich kennen: Meine Wahl fiel auf Pearl Jams Debütalbum TEN. Hier mein Text dazu.

Pearl Jam – TEN (27. August 1991)

April 1994. Aufregung auf einem Schulhof am linken Niederrhein: „Hast Du schon gehört? Kurt Cobain ist tot!“, fragte mich eines der coolen Mädchen mit dem guten Musikgeschmack. Öh, ja, äh, hatte ich, gerade jetzt, in diesem Moment. Es gab noch kein Internet in der Hosentasche. Als personalisierter Algorithmus funktionierte damals noch der Freundeskreis, in dem man sich CDs auslieh und empfehlen ließ. Ich war 12. Von Nirvana und von Grunge hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon gelesen. Ahnung hatte ich keine, aber mein Interesse war geweckt. Ich zog mir NEVERMIND auf Kassette – und entdeckte von dort aus eine andere Band aus Seattle, von der damals alle sprachen: Pearl Jam.

Deren Debüt erschien bereits 1991, jetzt zog es mich in seinen Bann. Die verzweifelte Wut des Openers „Once“, das treibende „Porch“, das in sich ruhende „Release“, das peitschende „Even Flow“, die hymnische Hitsingle „Alive“, das verstörende Class-Shooting-Video zu „Jeremy“, das Pathos und die Mimik des charismatischen Sängers Eddie Vedder – durch all das fühlte ich mich plötzlich verstanden. Worin genau, weiß ich bis heute nicht. Ich war kein gemobbter Außenseiter, gehörte aber auch nie zu den cool kids. Fortan trug ich lange Haare, Shorts und Flanellhemden und galt als Musikkenner ­– einfach deshalb, weil ich mehr als nur Lokalradio und „Bravo Hits“ hörte und Zeitschriften wie „Rolling Stone“, „Visions“ und diese hier las. Endgültig in love mit Pearl Jam fiel ich durch den VHS-Mitschnitt ihres „MTV Unplugged“-Konzerts und Vedders dortiger Performance. „State Of Love And Trust“ und die Mörderballade „Black“ gehörten seitdem auf jedes Mixtape für den nächsten Crush.

Im November 1994 erschien Pearl Jams schwieriges Drittwerk VITALOGY. Ich erinnere mich noch an die Poster, die im einzigen Plattenladen der Kleinstadt Geldern aushingen. Ich kaufte mir das Album von meinem Taschengeld und verliebte mich nach Startproblemen auch dort herein. Ich erinnere mich auch daran, wie ich einer Mitschülerin mit anderem Musikgeschmack ein Foto meines Helden Vedder zeigte und sie bloß kommentierte: „Bah, ist der hässlich!“. Im selben Monat erschien posthum Nirvanas „Unplugged in New York“. Platte und Video liefen als Soundtrack bei jedem Kellertreff im Jugendzimmer meines damals besten Freundes Jan mit, wenn wir abhingen und über Mädchen, Basketball und Musik redeten.

Den Kontakt zu Jan habe ich leider verloren, nicht aber den zu Pearl Jam. Ich gehe zu jedem Berlin-Konzert, höre mir (teilweise pflichtschuldig) auch ihre jüngeren Alben an und erinnere mich dadurch an eine wegen pubertärer Irrungen und Wirrungen nicht immer leichte, trotzdem aber irgendwie auch nicht nur schlechte Zeit. Bloß die Solosachen von Vedder, dem einzigen noch lebenden großen Frontmann des Grunge, sind mir erstaunlicherweise herzlich egal. Wir beide werden es verkraften.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Musikexpress (@musikexpress_magazin)

Dieser Text erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 08/2022.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


*

Zurück nach oben