Warum die Drogendramaserie „Ozark“ fast so gut wie „Breaking Bad“ ist

Zwei Familienväter, die auszogen, um große Player im Drogengeschäft zu werden: „Ozark“ und „Breaking Bad“ weisen schon in ihrer Grundidee Ähnlichkeiten auf. Aber auch bei ihren einigen Nebenfiguren und anderen Elementen.

Ergeben sich ihrem selbstgewählten Schicksal: Marty Byrde in „Ozark“ und Walter White in „Breaking Bad“ (Fotos: Netflix/AMC)
Ergeben sich ihrem selbstgewählten Schicksal: Marty Byrde in „Ozark“ und Walter White in „Breaking Bad“ (Fotos: Netflix/AMC)

Seit August 2018 ist die zweite Staffel von „Ozark“ auf Netflix im Stream verfügbar. In puncto Dunkelheit, Drogenhandel und Drama stehen die zehn neuen Folgen des Familienthrillers ihren Vorgängern in nichts nach. In puncto Gewalt und Skrupellosigkeit legen sie sogar noch einen drauf. Wer auch die erste Staffel noch nicht kennt, dem sei gesagt: „Ozark“ mit Jason Bateman in der Hauptrolle, der teilweise auch Regie führte und produzierte, muss Vergleiche mit der Kultserie „Breaking Bad“ aushalten, aber nicht scheuen: In ihrem Grundgerüst sind sich beide Serien sehr ähnlich, in ihren Details aber verschieden. So ist „Breaking Bad“ zum Beispiel deutlich schwarzhumoriger – aber selbst da kann „Ozark“ (siehe: „The Snells und The Langmores“) stellenweise mithalten.

6 Punkte, in denen „Ozark“ fast so gut wie „Breaking Bad“ ist

Der Plot

Ein Familienvater, der ins Drogengeschäft einsteigt (Walter White als Meth-Koch, Marty Byrde als Finanz- und Geldwäscheberater), der nur gute Absichten hegt (Geld für seine Erben anhäufen) und in eine unaufhaltbare Abwärtsspirale gerät. Erst steckt Byrde knietief im Sumpf, dann, trotz oder wegen jedes weiteren Schrittes, bis zum Hals. Es braucht nur wenige Folgen, bis auch der letzte merkt: Hier kommst Du nicht mehr raus, Marty. Dass der rationale Byrde eben diesen Ausstieg in einem überraschenden Anflug von Emotionalität am Ende der zweiten Staffel doch wagen will: geschenkt. Wir wissen es dank Walter White ja besser.

Die Figuren

Die blonde und toughe Ehefrau, die wahlweise interveniert oder führt. Die Tochter und der Sohn, denen die Geschäfte ihre Eltern kein Geheimnis bleiben und die schneller erwachsen werden (müssen), als allen lieb sein kann. Der alte Mann, der gut mit Kindern kann. Der scheinbare Drogenboss, der in Wahrheit nur die ausführende Gewalt des tatsächlich, anonym im Hintergrund bleibenden Drogenbosses ist. Die stumpfen Handlanger, die vom Kartell wie Bauern beim Schach losgeschickt werden, um die Drecksarbeit zu erledigen. Unschuldige, die zu Kollateralschäden im Kampf um die Markthoheit werden. All das sind Grundzutaten, aus denen die Regisseure bei „Breaking Bad“ wie auch bei „Ozark“ eine spannende Serie erschaffen, die bei „Breaking Bad“ ausreichende fünf Staffeln umfasste und die bei „Ozark“ bald in Staffel 3 ankommen wird – endgültige Länge ungewiss.

Die unverbrauchten Schauspieler

Julia Garner als abgebrühte Rednecks-Tochter Ruth Langmore. Charlie Tahan als ihr Cousin Wyatt Langmore, der aussieht wie ein junger Jonny Greenwood. Jason Butler Harner als sexuell und beruflich nahezu besessener FBI-Agent Roy Petty  – sie alle beeindrucken in jeder Sekunde ihrer Screentime. Das dürfte „Ozark“ „Breaking Bad“ sogar voraushaben: Von einigen damals hoffnungsvollen Nebendarstellern RJ Mitte (Walter White Jr.), Anna Gunn (Skyler White), Dean Norris (Hank Schrader) und Co. hat man seit dem Serienende 2013 nicht mehr allzu viel gesehen, selbst Hauptdarsteller Aaron Paul (Jesse Pinkman) ist hinter der Kamera (als Synchronsprecher) erfolgreicher als davor. Julia Garner aber war zuletzt – in einer Nebenrolle – bereits in Cary Fukunagas Netflix-Serie „Maniac“ als Emma Stones Schwester zu sehen. Der 20-jährige Charlie Tahan war als Kinderdarsteller schon in etlichen Filmen und Serien zu sehen. Der 48 Jahre alte Theaterschauspieler Harner war in Nebenrollen bereits u.a. in „Homeland“, „Blacklist“ und „Ray Donovan“ zu sehen. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn ihnen nach „Ozark“ nicht noch Größeres bevorsteht.

Eine weitere Parallele tut sich zwischen den Hauptdarstellern auf: Sowohl Bryan Cranston („Malcolm Mittendrin“) als auch Jason Bateman („Arrested Development“) haben ihre vorherige Bekanntheit Comedyserien zu verdanken. Beide spielen die Abgründe von Familienvätern, die immer tiefer in die organisierte Kriminalität abrutschen und gleichzeitig Gefallen daran finden, mit einer oscarreifen Überzeugung und Ernsthaftigkeit, die ihnen zuvor nicht jeder zugetraut haben dürfte.

Die Naturaufnahmen

„Breaking Bad“ spielt, wenn nicht gerade im Crystal-Meth-Labor oder im Fast-Food-Restaurant, in den gelbbraunen Wüstenweiten New Mexicos. Rund um den Austragungsort Albuquerque findet man das, was Metropolen-Freunde auch schon über dessen Downtown sagen würden: Nichts als gähnende Leere, Langeweile, über Straßen wehendes Tumbleweed. Hier und da ein paar Imbissbuden, Motels, Tankstellen, Berge. Zuschauer kriegen so eine Sicht auf das Amerika abseits von Kaliforniens Stränden und New Yorks Wolkenkratzern. Atemberaubend – auf eine triste Art und Weise.

Atemberaubend anders auch die titelgebende Natur in „Ozark“: Die Ozarks, so lernen wir in der ersten Folge, sind ein Naherholungsgebiet mitten in Missouri. Ein grün-blaues Hochplateau voller Seen, Wälder, Schluchten und mit „mehr Coastline als Kalifornien“. Eine Gegend also, die nicht nur für einen Kurzurlaub, sondern auch für einen Thriller wie gemacht ist. Haben übrigens auch die Macher von „True Detective“ erkannt: Dessen dritte Staffel, die im Januar 2019 anläuft, spielt ebenda.

Die Gewaltausbrüche

Die Skrupellosigkeit der Antagonisten ist in beiden Serien beispiellos: In „Ozark“ sind es die kinderlosen Redneck-Rentner-Druglords Darlene (hervorragend ekelhaft und niederträchtig: Lisa Emery) und Jacob Snell, die ihr Gebiet nicht kampflos aufgeben. In „Breaking Bad“ sind es die Schergen Gustavo Frings und Hector Salamancas, die fehlenden IQ mit, nun ja, Handlungsfreudigkeit wettmachen. Wer sich Kopfschüsse in Nahaufnahme, durchbohrte oder abgetrennte Gliedmaßen oder andere Folter- und Mordsspäße nicht so gerne anschaut, muss hier öfter mal die Augen und Ohren schließen.

Die Musik

Musik ist, wie bei jeder guten Serie, zentraler Bestandteil der Dramaturgie und Stimmungsmache. Der Soundtrack von „Breaking Bad“ ist eine Mischung aus mexikanischen und Americana-Klängen, zu hören sind unter anderem The Walkmen, Calexico und Molotov. Das Serienfinale wird untermalt von Badfingers 1971 veröffentlichtem „Baby Blue“ und dessen Text, den Walter White selbst geschrieben haben könnte.

In „Ozark“ endet jede Folge mit einem Song, der sich einbrennt. Zum Beispiel Bob Segers „Still The Same“, Frank Sinatras „Summer Wind“, Radioheads „Decks Dark“, Glen Campbells „Wichita Lineman“, Johnny Cashs „Walk The Line“, Kanye Wests „Wolves“. Props für diese Auswahl und den punktgenauen Einsatz.

https://www.youtube.com/watch?v=R95f7VwXqIw

Staffel 1 und 2 von „Ozark“ sind auf Netflix im Stream zu sehen, eine dritte Staffel wurde angekündigt. Staffeln 1-5 von „Breaking Bad“ sind ebenfalls auf Netflix im Stream zu sehen – wie auch die bisherigen vier Staffeln des Spin-offs „Better Call Saul“.

Dieser Text erschien zuerst am 29. Oktober 2018 auf musikexpress.de.

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