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„Es stand im Internet!“

„Sie wollen in ein Land, in dem Menschenrechtskonventionen und Den Haag keine große Rolle spielen? Versuchen Sie Irak, China, Indonesien, oder manche Länder in Afrika!“, heißt es einmal in „The Ghostwriter“, Roman Polanskis Romanadaption von Robert Harris‘ „The Ghost“, gegenüber dem Tony Blair so ähnlichen Adam Lang (Pierce Brosnan). In Wahrheit aber ist, ganz wie im Film, natürlich alles anders als man denkt.

Man will sich die Genese von „Der Ghostwriter“, der nur eine Woche vorm offiziellen Kinostart auf der 60. Berlinale vorgestellt wurde und obendrein den Silbernen Bären für die Beste Regie einheimste, selbst so gemütlich und offensichtlich vorstellen: Da saßen einst Robert Harris, Bestseller-Autor, und Roman Polanski, Regisseurlegende, beim Tee und sponnen ein gemeinsames Projekt aus (mit Harris‘ „Pompeij“ hatte es bislang nicht geklappt). Der Eine: ein alter Kumpel des einstigen britischen Premierministers Tony Blair, mit dem er sich nach dessen überbordender USA-Hörigkeit zur Kriegspolitik in Nahost verworfen hatte; der Andere ein von den USA verfolgter Straftäter auf der Flucht, dem schon in seinem ersten Exil London die Auslieferung drohte. „Sie wollen in ein Land, in dem Menschenrechtskonventionen und Den Haag keine große Rolle spielen? Versuchen Sie Irak, China, Indonesien, oder manche Länder in Afrika!“, heißt es einmal in „The Ghostwriter“, Roman Polanskis Romanadaption von Robert Harris‘ „The Ghost“, gegenüber dem Tony Blair so ähnlichen Adam Lang (Pierce Brosnan). In Wahrheit aber ist, ganz wie im Film, natürlich alles anders als man denkt.

Robert Harris, Autor vom hochgradig fiktiven „Fatherland“ („Was wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte?“), veröffentlichte seinen Roman „The Ghost“ tatsächlich nur wenige Monate nach Blairs letzter Amtszeit, im September 2007. Die Dreharbeiten zu „Der Ghostwriter“ aber fanden zwischen Januar und März 2009 statt, zu einer Zeit also, als Polanski noch nicht in seinem Ferienhäuschen in Gstaad festsaß und diese eigene Misere nicht hätte filmisch aufgreifen können, wie man bei „Der Ghostwriter“ meinen möchte: In seiner Ferienfestung auf der nahe Massachusetts gelegenen Atlantikinsel Martha’s Vineyard verschanzt sich der eigentlich politblasse britische Ex-Premier Adam Lang. Er wird beschuldigt, Folter veranlasst und somit internationale Menschenrechtskonventionen übergangen zu haben. Diese Presse tut ihm nicht gut und kommt doch sehr gelegen: Seine Memoiren sind bereits geschrieben und bedürfen nur noch einer Generalüberarbeitung. Eines Nachts wird sein Biograf leider tot an Land gespült und der namenlose und doch so smarte Allerwelts-Ghostwriter (blendend: Ewan McGregor) engagiert. Eine prestige- und finanzträchtige Auftragsarbeit – bis dieser „Ghost“ Unregelmäßigkeiten in Langs Biografie findet, die irgendwann in CIA-Verstrickungen auf hoher Ebene – Waffenlobby, Ölkrise, undsoweiter – münden.

Der Plot von „Der Ghostwriter“ allein würde für mehr als 90-minütige Samstagabendunterhaltung nicht reichen. Es ist vielmehr die immer am absurden kratzende Dramaturgie und die Art, wie Polanski McGregor und Brosnan inszeniert: Der Eine ein fähiger Auftragsschreiber, dem zum Durchbruch als „richtiger“ Schriftsteller schon immer der nötige Ehrgeiz und ein Quäntchen mehr Talent fehlte und der sich während seiner Nachforschungen am meisten über sich selbst wundert; der Andere ein schlagfertiger Politiker, der eigentlich gar keiner ist. Da treffen Biografien, Egos und Selbstzweifel aufeinander, da braucht es eine nur scheinbar labile Frau (in der heimlichen Hauptrolle: Olivia Williams als Ruth Lang), um dem Gefüge mächtig einzuheizen. Dazu untergekühlte und immer dunkle Bühnenbilder, gebaut und gedreht in den Filmstudios Potsdam-Babelsberg und auf der Nordseeinsel Sylt – fertig ist ein Verschwörungsthriller Marke Dan Brown, dessen Anspielungen im Plot auf die Regierung Blairs bisweilen an Plakativität grenzen und der trotzdem oder gerade deswegen bis zur letzten Sekunde spannend ist. Und einen Seitenhieb auf die Presse sparen sich Harris und Polanski, die trotz räumlicher, nun ja, Diskrepanzen bis zum Schluss eng zusammenarbeiteten, auch nicht, wenn McGregor als Ghostwriter, eigentlich kein investigativer Journalist, seine Quellen auf den Tisch haut, um einen Skandal aufzudecken: „It was on the internet!“

(erschienen auf: www.fuenf-filmfreunde.de, 27. Februar 2010)

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