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„Die verrücktesten Ideen für ‚Jackass‘ wurden noch immer gedreht“: Johnny Knoxville und Jeff Tremaine im Interview

Fremdschmerz und kein Ende: Auch im dritten Kino-Teil aus dem Hause „Jackass“ bleibt alles beim Alten. Trotz 3D. Protokoll eines Gruppeninterviews.

Die gute Nachricht aus dem Jackass-Franchise ist auch die schlechte: Es hat sich absolut nichts geändert. Das simple Erfolgsrezept, mit dem Johnny Knoxville und seine ach so durchgeknallten Freunde 2001 erst das Format Reality-TV auf eine neue Ebene hievten und damit MTV von einem Musik- in einen Showsender mitüberführten, wurde über die Filme „Jackass – The Movie“ (2002) und „Jackass 2“ (2006) bis hin zum neuen „Jackass 3D“ geschleppt: Fremdscham, Fremdschmerz, Fremdekel, Freakshow. Profiskater, Stuntmen und Schauspieler zünden ihre Furzluft an, trinken den Schweiß des übergewichtigen Kollegen, bauen einen menschlichen Kotvulkan in eine Modelleisenbahnlandschaft, lassen ein Schwein einen Apfel aus dem Hintern eben jenes dicken Kollegen naschen, kotzen um die Wette oder treten sich zwischen die Beine. Sie spielen die kleinen anarchischen Jungs, vielleicht sind sie es auch trotz ihres sichtbaren Alters tatsächlich. Lustig ist das leider manchmal immer noch.

Dem öffentlichen Interesse tun diese nichtvorhandenen Neuigkeiten keinen Abbruch: Zur Deutschland-Premiere von „Jackass 3D“ ließen Johnny Knoxville und Regisseur Jeff Tremaine zu Gesprächen laden – mit jeweils zehn Journalisten innerhalb von 20 Minuten Massenabfertigung. Protokoll einer Pressekonferenz.

Homoerotischer Fäkalhumor als Erfolgsrezept: Johnny Knoxville, Bam Margera und Jeff Tremaine bei der Premiere von "Jackass 3D" in Berlin


Mr. Knoxville, Mr. Tremaine, Sie sind heute den ganzen Tag in Berlin unterwegs – schon Spots für neue Stunts entdeckt?

Jeff Tremaine: Wir waren heute Morgen im Verlagshaus einer großen Zeitung, da gab es diese Aufzüge ohne Türen, die nicht stoppen. Da macht sich so ein Fahrgast ganz schön verletzlich! (grinst)

Johnny Knoxville: In diesen Teilen können dir viiiiele schlechte Dinge passieren.

Sind Sie angstfrei?

Knoxville: Nein, ich bekomme schon Angst. Ein kleiner Mann in mir sagt: „Hahaha! Lache!“ In allen Drehs habe ich Angst, blende sie aber aus, in dem ich an das lustige Videomaterial denke, was dabei herauskommen wird.

Tremaine: Ich kann Ihnen sagen: All diese Typen bekommen es regelmäßig mit der Angst zu tun, das sehe ich denen immer wieder an!

Knoxville: Wir sind die am wenigsten machohaften Stuntmen der Welt. Wir haben nicht mal Angst, zu weinen!

(zwei gezapfte Biere werden den Herren an den Tisch gebracht)

Haben Sie gelernt, den Schmerzreflex zu umgehen?

Einer geht noch: Johnny Knoxville bei der Berliner Premierenfeier zu "Jackass 3D" (Zoom durch Klick)

Knoxville: Sie meinen dem Kampfinstinkt? Wenn der behornte Bulle auf dich zugerannt kommt? Der Performer in mir will wegrennen, aber der Produzent in mir sagt, dass ich besser still stehen bleibe.

Es muss einen Moment in Ihrem Leben gegeben haben, an dem Sie mit dem Training dafür begonnen haben.

Knoxville: Es gibt kein Training, es gibt nur den Gedanken: „Du willst Videomaterial? Bleib stehen. Du willst keines? Renn!“

In welchen Situationen klinken Sie sich aus?

Knoxville: Wir sind neun Typen. Wenn einer eine Aktion nicht durchziehen will, wird sich ein anderer finden. Für gewöhnlich bin ich der Typ für…

Nein, alltägliche Situationen, in denen Sie den Schwanz einziehen.

Knoxville (überlegt): Ich weiß nicht. In der Regel halte ich mich nirgends gerade zurück.

Tremaine: Ich kann mich zumindest an kein Beispiel erinnern.

(die Biergläser sind leer)

Gibt es Dinge, die Sie niemals tun würden?

Knoxville: Da gibt es tonnenweise Dinge, klar. Zum Beispiel…Ähm… (Gelächter) Was wir im Team versuchen, ist: Wir wollen wie die größten Trottel von allen aussehen.

Tremaine: Der Spirit bei allem was wir tun ist uns sehr wichtig. Je lächerlicher etwas ist, desto positiver ist es auch für uns.

Knoxville: Positiv dumm!

Tremaine: Ja, der Erfolg von „Jackass“ rührt daher, dass die Leute positiv darauf reagieren, nicht negativ. Sie lachen.

Gibt es Aktionen, die Sie mit „Jackass“ schon immer einmal tun wollten, aber bisher nie taten?

Knoxville: Nein. Wenn wir etwas drehen wollen, gehen wir raus und drehen es auf der Stelle. Für diesen Film nun hatten wir so viele Stücke geschrieben, dass uns die Zeit ausging. Wäre aber etwas richtig Großes liegengeblieben, hätte ich die Hölle aus Jeff rausgeprügelt, bis wir es drehen.

Tremaine: Wir schrieben noch nie eine Idee, die wir nicht auch gedreht hätten, solange sie greifbar gewesen ist. Das heißt aber auch, dass noch keine Idee so verrückt war, dass niemand von uns sie machen würde. Die verrücktesten Ideen werden immer gedreht.

Was Sie in diesem Bild nicht sehen: Wo Knoxville landen will, da fließt kein Wasser (Zoom durch Klick)

Wo kommen all diese Ideen nach all diesen Jahren noch her?

Knoxville: Ich weiß es nicht. Für diesen Film schrieben wir mehr Ideen, sie kamen einfacher als jemals zuvor. Ich fragte mich nie, was wir jetzt tun sollten. Wir taten einfach, und das ist das Ergebnis. Keine Ahnung.

Tremaine: Wenn etwas lustig ist, dann ist es das meist auf Anhieb und wird nicht durch zahllose Takes besser.

Knoxville: Aber selbst wenn etwas auf Papier nicht für jeden zwingend lustig ist – durch all die verschiedenen Charaktere gewinnt alles ein Eigenleben und entwickelt sich. An einem Drehtag regnete es in einer Tour, obwohl wir eigentlich draußen drehen wollten. „Was machen wir stattdesssen?“ fragten wir uns – und klebten im nächsten Moment sechs Menschen mit Superkleber am Tisch und sich selbst fest. Das war die Idee, und jede Persönlichkeit trug zur weiteren Entwicklung bei. Wir sind in der wirklich glücklichen Lage, dass…

Tremaine: Es zeigte sich auch, dass die Ideen, die sich am Ende am besten umsetzen ließen, diejenigen sind, die auf dem Papier am Schwierigsten erschienen. Zum Beispiel „High Five“, die übergroße Hand, die wir durch die Tür kommenden Kollegen vor die Schnauze knallten. Das funktionierte wunderbar, damit hatten wir nie gerechnet, das ist für mich der beste Teil des Films.

Gerieten Sie jemals in ernsthafte moralische Probleme mit, sagen wir, religiösen Gruppen?

Knoxville: Chris Pontius bekam mal Ärger mit einem gläubigen Christen, als er für eine Fernsehshow als Teufel verkleidet durch LA lief und ein Schild mit der Aufschrift „Keep God out of Los Angeles“ vor sich her trug. Da lief dieser Kerl auf ihn zu, zerbrach sein Schild und fing an, ihn zu schlagen.

Würden Sie „Jackass“ homoerotisch nennen?

Beide: Yeeah! Sehr homoerotisch! Wir sitzen auf einem Regenbogen!

„Jackass 3D“ ist der dritte „Jackass“-Film in acht Jahren – mussten die Jungs aus Ihrem Team überzeugt werden, schon wieder bei dem gleichen Quatsch mitzumachen?

Knoxville: Nein, von Anfang an hätte niemand glücklicher sein können über die Tatsache, dass wir einen neuen Film machen. Alle waren sofort dabei.

Keiner war müde davon?

Knoxville: Nein, wir lieben es! Wir lieben es wirklich, auch wenn da natürlich Dinge wie, nun ja, Gefahren mit einhergehen.

Tremaine: Es dauert eh mindestens vier Jahre, sich physisch von einem Dreh zu erholen. Es scheint uns also allen ein guter Rhythmus, alle vier Jahre einen neuen Film zu machen.

Knoxville: Ich bin wiederhergestellt!

Wieviele gebrochene Nasen und Knochen trugen Sie davon?

Knoxville: Eine Menge. Ich habe meinen Geruchssinn verloren, so oft brach ich mir schon die Nase. Was gut ist, wenn du den ganzen Tag neben Jeff sitzen musst.

Und was war die schlimmste Verletzung von allen während dieses Drehs?

Knoxville: Da gibt es viele Verletzungen während des Films, aber die schlimmste passierte vermutlich Loomis. Es gibt diese Szene, wo er vom Trampolin aus mit einem Regenschirm in die Turbinendruckluft eines Kampfjets springt. Er segelte förmlich Richtung Boden zurück und brach sich seine Schulter an drei verschiedenen Stellen und musste seine Hand operieren lassen. Wir ließen ihn bis dahin nie Stunts machen, weil wir ihn nicht verletzen wollten. Das peitschte ihn umso mehr an, endlich einmal einen Stunt zu machen. Einmal ließen wir ihn, dann rannte er zu Jeff und bettelte förmlich, den Stunt nochmal machen zu dürfen. Er durfte ja vorher nie und fühlte sich nicht wertgeschätzt. Das hat er nun davon.

Die einzige Neuheit in "Jackass 3D": Menschliche Windbeutel

Stand jemals die Idee im Raum, eine Frau ins Team zu holen?

Knoxville: Nun, Bam’s Mutter ist eine Frau. Sie ist im Team, ganz groß sogar.

Tremaine: Wir zogen noch nie aus, um jemanden zu casten. Das passiert alles sehr natürlich. Und hat sich bisher nie ergeben, bisher war einfach nie eine dabei. Aber nicht, weil wir nicht wollten.

Können Sie sich vorstellen, an einen Punkt in Ihrem Leben zu kommen, an dem Sie zu alt für dieses Spiel sind?

Knoxville: Alles, was ich für „Jackass“ tun muss, ist, auf einer Stelle stehen zu bleiben. Dafür braucht es keine Koordination, das kannst du in jedem Alter. Stehen bleiben und den Bullen dich umrennen lassen.

Tremaine: Die meisten unserer Aktion bedürfen keiner besonderen Fähigkeiten. Es verlangt nur die Blödheit, sich da hin zu stellen und die anderen machen zu lassen.

Die Heilung dauert länger.

Knoxville: Ja, aber wir sind neun Typen! Wenn einer verletzt ist, wird der nächste reingebracht.

Sie werden also auch in 20 Jahren noch neun Freunde sein, die sich vor der Kamera wehtun.

Knoxville: Solange es noch witzig ist!

Mehr Glück als Verstand? Johnny Knoxville, eine Sekunde vor einer Rippenprellung

Eine Frage, die sich bei „Jackass“ immer wieder stellt: Wie viel ist echt, wie viel ist Fake?

Knoxville: Außer der Anfangs- und Endsequenz des Films ist alles hundertprozentig echt. Nichts pisst mich mehr an als ein Video im Internet, das ich erst unglaublich finde und dann erfahre, dass es gefälscht ist. So denken wir alle.

Die Gorillaszene hat Familie Margera also wirklich überrascht?

Knoxville: Phil, Bam’s Vater, hat sich vor Angst wörtlich in die Hosen geschissen. „Wo ist Phil?“ „Der scheisst sich gerade voll!“

Tremaine: Aprils Reaktion ist der Wahnsinn. Als ich es zum ersten Mal sah, dachte ich auch an einen Fake. Ich fragte sie danach, ob sie wirklich glaubte, dass das ein echter Gorilla in ihrem Hotelzimmer ist und nicht Chris Pontius in einem Kostüm. Sie sagte: „Natürlich hielt ich ihn für echt, Ihr Typen habt uns schon mal einen echten Alligator ins Haus gesetzt!“

Knoxville: Wissen Sie, was noch nach Fake aussieht aber nicht ist? Als Dave England auf das Dixie-Klo geht, sich vorm dortigen Spiegel seine Haare macht und dann unsere blaue Farbbombe explodiert. Wir heulten vor Lachen. Es sah so aus, als hätte er alles gehabt, damit es urkomisch aussieht. Er ist unser Profi-Scheisser. Niemand außer ihm kann Poo auf Kommando produzieren.

PR-Managerin: Letzte Frage!

Welche physischen Voraussetzungen braucht es, um ein Stuntman wie Sie zu werden?

Knoxville: Körperliche Voraussetzungen gibt es wenige, wenn Sie mich fragen. Du musst nur den Mut haben, da zu stehen.

Ist das Mut?

Knoxville: Mut, oder… Sie wissen schon…magisches Denken, Dummheit… nennen Sie es, wie Sie wollen!

Tremaine: Was das alles ausmacht: Wir haben da neun wirklich sehr verschiedene Persönlichkeiten und haben über die Jahre gelernt, uns die zum Vorteil zu machen. Ich kenne die Stärken der Leute. Bam ist ein Profiskateboarder, also schreiben wir hin und wieder eine Szene für ihn. Du Johnny lässt Dir gerne in die Eier treten oder bist dumm genug stehen zu bleiben, also machen wir auch das mit schöner Regelmäßigkeit.

Haben Ihre Kinder Ihre Filme gesehen?

PR-Managerin: Nein, keine Frage mehr, sorry! Aber wenn jemand Fotos machen möchte, dann bitte jetzt.

Knoxville (steht auf): Ja, meine Tochter hat „Jackass 3“ gesehen. Aber sie saß dabei neben mir und ich sorgte dafür, dass sie an manchen Stellen die Augen und Ohren zu hielt.

Fremdschmerz-Evergreen:

„Jackass 3D“
(USA, 2010)
Regie: Jeff Tremaine
Produzent: Jeff Tremaine, Spike Jonze, Johnny Knoxville
mit: Johnny Knoxville, Bam Margera, Steve-O, Jason „Wee Man“ Acuna, Chris Pontius, Ryann Dunn, Preston Lacy, Dave England, Ehren McGhehey u.a. (und als Gäste u.a. Weezer, Will Oldham, Tony Hawk, Sean William Scott)

seit 28. Oktober 2010 im Kino

www.jackass3d.de

(erschienen bei: BRASH.de, 29. Oktober 2010)

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