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Generation A: Arcade Fire sind dank „WE“ wieder die größte Indierockband der Welt

Fünf Jahre nach EVERYTHING NOW veröffentlichen Arcade Fire ein neues Album. WE verkörpert die Rückkehr zu alter Stärke – und ist inspiriert von einem dystopischen russischen Schriftsteller aus dem frühen 20. Jahrhundert, dem Ende des amerikanischen Traums und der Zukunft unserer Kinder. Vor allem aber: Es katapultiert die Band um die Eheleute Win Butler und Régine Chassagne zurück an die Spitze des Indie-Rock. So überzeugend waren sie lange nicht. (mehr …)

Arcade Fire! Live! Berlin! Sold Out!

Arcade Fire wissen, wie sie Schlagzeilen schreiben. Drei Jahre nach dem epischen „Neon Bible“, das ihnen den kommerziellen Durchbruch und den Ruf als Retter des Indierock bescherte, veröffentlicht das kanadische Kollektiv um das Paar Win Butler und Régine Chassagne im August „The Suburbs“, ein vergleichsweise zurückhaltendes Konzeptalbum über, richtig, Vorstädte. Die Platte chartet in sechs Ländern auf #1, ihren Auftritt beim diesjährigen englischen Reading-Festival stellen Arcade Fire als Dank an ihre Fans und Beweis ihrer Klasse komplett ins Netz (momentan leider wieder verschwunden). Und dann kommen sie plötzlich mit „The Wilderness Downtown“ um die Ecke, einem beeindruckenden, unter Regie von Chris Milk programmierten Google-Street-View- und HTML5-Showcase, das als interaktives Musikvideo zu „We Used To Wait“ und als nostalgische Zeitreise in die eigene Kindheit zugleich funktioniert. Wenn also nicht durch all das, dann hätte man spätestens beim den gestrigen Abend eröffnenden Owen Pallett, dem solo als Final Fantasy agierenden und sich selbst sampelnden Tour-Geiger der Band, wissen müssen, dass auch das seit Monaten ausverkaufte Konzert von Arcade Fire im Berliner Tempodrom (danke, radioeins!) ein erinnerungswürdiges werden würde.

Sie kamen, den Pop zu revolutionieren: Arcade Fire
„Lewis Takes Off His Shirt“ hieß der letzte Song von Pallett, der die wenigen anstrengenden Momente seines Sets vergessen ließ und die Bühne für Arcade Fire frei machte. Pallett stand also 20 Minuten später wieder da oben, aber mit was für einer Unterstützung: Neben ihm geigten, durchweg bezaubernd, Marika Shaw und Sarah Neufeld, und auch der Rest der neunköpfigen Gruppe überbot sich 17 Songs lang in Spielfreude und Ausstrahlung. In den wenigen Momenten zwischen den Stücken, in denen sie sprachen oder durchatmeten, da hätte man fast meinen können, dass da doch nur ein Haufen junger und sehr talentierter Musiker auf der Bühne steht. Schon mit dem frühen ersten Höhepunkt „No Cars Go“ aber machte die Band einen in ihrer Perfektion nachhaltig glauben, sie wäre wirklich nicht von dieser Welt. Allen voran Butler und Chassagne wechselten sie über Akkordeon, Piano, Schlagzeug, Ukulele, Gitarre oder Mikrofon die Instrumente durch wie auf einer Reise nach Jerusalem. Neue Songs von „The Suburbs“, das zeigte sich an diesem Abend auch, stehen ihren Vorgängern in nicht viel nach, bis „Neighborhood #3 (Power Out)“ und „Rebellion (Lies)“ vom Debüt „Funeral“ in sich selbst und dem Ende des Hauptsets gipfelten. Die Musik wurde lauter, das Licht greller, die Blitzlicht-Intervalle kürzer, und wenn im nächsten Moment die Welt implodiert wäre, man hätte eine euphorische Nahtoderfahrung erlebt. Aber es ging ja weiter! Spätestens bei der finalen  Zugabe „Wake Up“ (Butler: „Dankeschon!“) glaubte man dann immerhin zu wissen: Gäbe es einen Soundtrack des Lebens für Gutmenschen, er klänge wie Arcade Fire.

Eine Epiphanie: Arcade Fire, eigentlich aus Montreal, im Berliner Tempodrom

Wenn es keine Blasphemie ist, in der Popmusik von göttlichen Momenten zu sprechen (und wenn Kitsch erlaubt ist), dann erschienen sie einem während dieser 90 Minuten Arcade Fire. Einen Tag später, im Licht betrachtet, war es zumindest immer noch ein sehr gutes Konzert. Eines, das mich nicht nur auf Folgealben namens „The Downtowns“ und „The Deserts“ spekulieren und immer wieder große Lust verspüren ließ, bald noch einmal „Where The Wild Things Are“ anzuschauen. Es belegte auch auf eindrucksvolle Art und Weise, dass in der Popmusik noch längst nicht alles gesagt ist. Und wie viel mehr kann man von einem Popkonzert erwarten?

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