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Namaste! Yoga im Selbstversuch

Als Kerl zum Yoga-Kurs. Kann das gut gehen?

Als Schreibtischtäter und Sportmuffel jammere ich wie ein Drittel aller Deutschen über Rückenschmerzen. „Komm doch mal mit zum Yoga, das ist total super, auch für den Rücken!“, lautete die erst so abwegige Empfehlung meiner Freundin, „ich will auf keinen Eso-Trip, und Frauen muss ich auch nicht kennenlernen – und selbst wenn, dann doch nicht beim Yoga!“, lautete meine eher unreflektierte Antwort. Außerdem war unsere Vormieterin eine Yogalehrerin, und die war nun wirklich nicht entspannt! Dann machte ich mir mal wieder bewusst, dass ich seit fünf Jahren nicht mehr Basketball spiele, immer andere Ausreden finde, nicht joggen zu gehen und als Karteileichenmitglied Fitnesscenter irgendwie doof finde. Also doch Yoga. Kann man ja mal probieren, muss man ja keinem verraten.

Erst lernte ich, was ich schon zu wissen glaubte: Yoga ist kein Sport, es geht um innere Ruhe und Beweglichkeit, nicht um Bewegung. Dann lernte ich die Ujjayi-Atmung im Vinyasa-Flow und Übungen namens Sonnengruß, herabschauender Hund, Kobra, schiefe Ebene, Krieger, halber Mond, Heuschrecke oder Baum sowie von Muskeln und Bändern, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie habe. Und, dass das alles ganz schön schweißtreibend ist. „Ich, äh, bekomme die halbe Vorbeuge einfach nicht mit geradem Rücken und bei gleichmäßiger Atmung hin?!“, habe ich den Trainer gefragt. „Kein Problem, alles eine Frage der regelmäßigen Praxis“, antwortete er zuversichtlich. „Bald fragt Ihr Euch, wie Ihr in den freien Kopfstand kommt!“ Klar, dachte ich, und danach schieße ich Feuerbälle und kann fliegen.

Beim Yoga geht es, so mein Trainer weiter, um das eigene „Aufgehen in der Gegenwart“, nicht um nachträgliche Erschöpfung. Die Sache mit der Konzentration klappt bislang zwar noch am wenigsten, aber nach vier immer intensiveren Trainingseinheiten und bislang mehr schlecht als recht gemachten Hausaufgaben („Die Energie der Viertelstunde, die Ihr früher aufsteht dafür, holt Ihr durch regelmäßiges Yoga locker wieder rein!“) ahne ich dennoch und spüre sogar bereits: Yoga tut tatsächlich gut und macht mehr Spaß als Muckibude, mein Rücken wird es mir irgendwann danken. Mein inneres Gleichgewicht hoffentlich auch. Dass ich das mal laut sagen würde.

www.yfdBerlin.com
www.spirityoga.de

(erschienen in: zitty 23/2010, S. 42)

Zwölf zu Null

Sportplatz „Am Aermen Düwel“, Kerken-Nieukerk, irgendwann in den frühen Neunzigern. Vielleicht waren es auch die späten Achtziger, ich weiß es nicht, ich war ja noch klein. Und bis dahin ein besonders hoffnungsloser Fall innerhalb der Vereinsjugend des TSV Nieukerk. Aber heute sollte alles anders werden, denn heute war das Schlusslicht der E-Jugend zu Gast: SV Lüllingen. Ein Kellerduell der Sonderklasse.

Es war Sommer, es war heiß, ich hatte das gelbe Trikot a.k.a. Leibchen und das blaue Höschen angezogen und die Schuhe geschnürt. Locken und Schnute saßen, ich saß auf der Bank. Alles wie immer. Wir hatten uns Chancen ausgerechnet, und das taten wir nur noch selten. Anpfiff, es ging los, zwei Minuten später: Tor für uns. Von dort an ging alles ganz schnell. Nach dem 3:0 wusste mein Trainer: „Das Ding klaut uns heute keiner“. „Fabian drauf!“, rief er plötzlich, ich traute meinen Ohren kaum. Ich? Fliegender Wechsel? Mit meiner Kondition wie ein Haribobär? Bei diesem Wetter? In meiner Lieblingsposition als Vorstopper (man stört keinen und hat trotzdem das Gefühl, dazu zu gehören) wurde ich eingesetzt, aber die Position war egal. Erstens lief ich eh nicht immer dahin, wo ich sollte, und zweitens hat selbst das dem Gegner keine Chancen eröffnet, Talent spielte keine Rolle. Wenn wir den Ball nur zufällig getroffen haben, trafen sie ihn konsequent nicht. Ich weiß noch, dass ich während dieses Spiels ungefähr sechs Mal im Abseits stand, weil ich die Regel auch nach der dritten Erklärung nicht kapieren wollte. Ich weiß aber auch noch, dass ich im Laufe der nächsten, sagen wir, 20 Minuten Einsatzzeit, TROMMELWIRBEL, drei (in Zahlen: 3) Tore schoß. Ich weiß nicht mehr, wie das passieren konnte. Aber man kann sich anhand allein meiner Abseitsstellungen und Tore ausrechnen, wie viele Chancen wir insgesamt gehabt haben müssen. Viele. Ich erinnere mich auch nicht mehr an Spielminuten, Regelverstöße oder Rufe der aus familiären Gründen treuen Fans am Spielfeldrand. Ich erinnere mich nur noch an den Endstand: 12:0.

So oder so ähnlich muss es gewesen sein, damals. Ich hätte an diesem Höhepunkt meine Karriere beenden sollen. Stattdessen machte ich noch ein paar Monate als Bankdrücker weiter. Mein erster Trainer „Popo“ Prellwitz meinte es immer gut mit mir, sein Nachfolger Detlef Baumeister auch. Mein Talent konnten sie aber leider nicht schönreden. Ich versuchte es mit Tischtennis. Aber das ist ein anderes Kapitel meiner Dorfjugend. Auch Fotobeweise gibt es von diesem Spiel keine. Hätte mir ja eh niemand geglaubt.


Raus mit Euch!

Vereinssport, Freizeitspaß oder beides? Gerade in der Großstadt gibt es für jedes Kind die passende Sportart. Man muss sie nur finden

Bosse schnauft. Bis vor einer Minute ist der Sechsjährige noch über den Kunstrasenplatz an der Storkower Straße gerannt, in gestreiftem Trikot und zusammen mit rund 20 anderen Kindern. Jetzt hockt er am Spielfeldrand, stützt die Hände auf die Knie und jammert: „Ich melde mich ab, Mama. Ich hab keine Lust, nach dem Training immer zu duschen!“ Richtig ernst gemeint hat Bosse das nicht. Er trainiert schon seit zwei Jahren beim FC Berlin 23 in Lichtenberg. Zweimal pro Woche, Sonnabend ist Spieltag. Der Grund: Fußball macht Bosse einfach Spaß.

Eine sportliche Frühförderung außerhalb der begrenzten Schulsport-Angebote ist eine Bereicherung für Kinder jeden Alters. In der Bewegung finden sie einen Ausgleich zum Druck in der Schule, im Spiel- und Mannschaftssport lernen sie andere soziale Gefüge kennen als zuhause. Es muss nicht gleich ein Verein sein. Aber es sollten die Zugänge zu öffentlichen Plätzen wie Bolzplatz, Schwimmbad oder Streetcourt verschafft werden. Davon hat Berlin genug, nur nehmen sich weder die Schulen noch Vereine immer die Zeit für die Erprobung unbekannter Terrains.

Holger Zimmerman ist Bosses Trainer. 2005 gründete er den Kinderverein, weil er keine Lust mehr auf die andernorts übliche Vereinsmeierei hatte. „Es gibt viele Fußballclubs, wo die Väter trainieren, die anderen Eltern herumschreien und man mit Hierarchie vom Kassenwart bis zum Jugendbereichsleiter klarkommen muss“, sagt er und pfeift seine Jungs zur Abschluss-Dribbelrunde. „Mein Sohn hat selbst bei so einem Club gespielt, schrecklich war das. Erst wurde auch ich Trainer. Dann dachte ich: Das kann ich selbst besser machen.“

Fußballvereine gibt es in jedem Viertel. Der FC Berlin 23 aber ist besonders. Erstens stehen hier für Kinder zwischen vier und zwölf Jahren Spaß, Freude und Bewegung anstelle eines Wettkampfs im Mittelpunkt. Zweitens bietet Zimmermann berufstätigen Eltern und Gruppen für fünf Euro zusätzlich zum Monatsbeitrag von 20 Euro einen Shuttle-Service. Der holt die Nachwuchs-Fußballer von ihren Schulen und Kitas ab und bringt sie anschließend dorthin zurück oder nach Hause.

Bosses Hausaufgaben leiden nicht unter seinem Hobby, sagt der Erstklässler. Bei den Jungs des U14-Basketball-Teams vom DBV Charlottenburg sieht das schon anders aus: „Wir trainieren bis zu neun Mal pro Woche“, sagt Aufbauspieler Tarek stolz – mit 1,75 Meter ist der Dreizehnjährige einer der kleineren Spieler seiner Mannschaft. In der Endrunde der Norddeutschen Meisterschaften schlugen sie heute Morgen den Lokalrivalen Alba Berlin, zum ersten Mal in der Saison. Die Kids beider Teams gehören zu den besten ihrer Altersklasse; einige spielen Basketball, seit sie sieben Jahre alt sind. „Für alle Ballsportarten gilt: Das A und O ist eine sportliche Grundausbildung. Die Spezialisierung erfolgt später“, erklärt der ehemalige Basketball-Nationalspieler Henning Harnisch und warnt davor, sich zu früh auf eine Sportart zu fixieren. Als Sportdirektor von Alba Berlin vermittelt er schon Kindergarten-Kids seine Leidenschaft für die Bewegung im Team. Zu Fußball habe jeder einen Bezug, die Welt des Sports aber sei vielfältiger. Die Schulen sieht Harnisch in der Mitverantwortung: „Unser Traum ist, dass Kinder ab der 2. Klasse nach und nach verschiedene Sportarten vorgestellt bekommen und so ein Gefühl dafür entwickeln, was ihnen am besten gefällt.“

Der Spaß an Sport und Spiel wird in Vereinen gefördert, aber natürlich geht es auch darum, Kinder mit Begabungen zu entdecken. Laut Henning Harnisch beherberge Berlin auch für tolle Sportler ein großes Angebot: „Man muss diese Talente nur suchen, finden und fördern.“ Tarek und sein Mitspieler Moritz empfehlen auch älteren Kindern, es auf den Freiplätzen der Stadt oder bei einem Verein zu probieren: „Der Basketballer Dirk Nowitzki hat schließlich auch erst mit 14 angefangen.“

Bei Mädchen sind Ballsportarten noch immer weniger beliebt. Nebenan, in der anderen Hallenhälfte der Max-Schmeling-Halle B, soll Alina mit zwei Bällen gleichzeitig dribbeln. Gar nicht so leicht, obwohl die Zwölfjährige schon seit vier Jahren beim SSV Lok Bernau mitspielt. Talentscouts luden sie zum heutigen „Girls Day“, einem Probetraining für die Berliner Landesauswahl. Landesjugendtrainer Heiko Zach achtet auf Ballgefühl, Koordination – und die Körperlänge der Eltern. „Vieles kann man lernen, aber eben nicht alles“, sagt Zach und macht Mädchen wie Alina trotzdem Mut. „Bei Alba ist die Halle mit Jungs voll, sobald sie die Tür öffnen. Nach talentiertem Mädchennachwuchs aber leckt sich jeder Club die Finger.“ Um den großen Durchbruch geht es Alina bislang nicht. Anfangs suchte sie ein Hobby, das sie mit ihren Freundinnen gemeinsam ausüben konnte. „Jetzt machen mir Körbe werfen und Verteidigung am meisten Spaß.“

Es müssen nicht immer Ballsportarten sein, die Freude an der Bewegung entdecken lassen und sie in bestimmte Bahnen lenken. Die DLRG, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, bringt in ihren 15 Berliner Ortsverbänden Kindern ab fünf Jahren das Schwimmen bei. Das Seepferdchen-Abzeichen für die eigene Badehose oder den Badeanzug verdienen all die Wasserratten, die 25 Meter schwimmen, vom Beckenrand springen und einen Gegenstand mit den Händen aus dem Wasser holen. Carola Behrend, Bezirksleiterin des Ortsverbandes Friedrichshain-Kreuzberg, warnt: Die Anfängerkurse im Spreewald- und im Baerwaldbad sind beliebt, „Eltern sollten ihre Kinder am besten ein Jahr vorher anmelden.“ Wer das Seepferdchen schon in der Tasche hat, der kann sofort mitmachen. In den Folgejahren stehen erst die Abzeichen Bronze, Silber und Gold, dann die Ausbildung zum Juniorretter auf dem Schwimmplan. Im Juli organisierte Behrend ein „Lifesaving Camp“ für vereinsungebundene Jugendliche. Die Ortsgruppe Mitte zum Beispiel schult ihre Nachwuchsrettungsschwimmer im Sommer an der Havel.

Es soll ja Kinder geben, die weder Wasser noch Bälle mögen und die lieber hoch hinaus als tief hinab wollen. Zur Schulung von Muskelapparatur, Motorik und Koordination oder einfach nur wegen der Sache selbst – erfreut sich das Klettern immer größerer Beliebtheit. In der Regel versteht man darunter das Free Climbing: Es gibt nur Wand und Kletterer, Seilschaften dienen allein der Absicherung. Auch im „Magic Mountain“ in Wedding ist der Weg das Ziel. In der größten und kinderfreundlichsten Kletterhalle Berlins bietet Mitarbeiter und Teilhaber Till Kuttner After School Climbing, Klettercamps in den Ferien oder Familienklettern an und schmeißt Geburtstags- und Abenteuerparties. Die Erkenntnis dahinter könnte näher kaum liegen: „Der Kletterinstinkt steckt Kindern im Blut.“

So vielfältig die Sportmöglichkeiten für Kinder jeden Alters auch sind, so wenig dürfen Eltern dabei die eigentliche Selbstverständlichkeit aus den Augen verlieren: Erst der Spaß, der Rest kommt von allein. Bosse findet die Übungen ohne Ball manchmal blöd, gibt er noch zu, bevor er in die Kabine verschwindet. Und wenn Holger doch mal schreit. „Am meisten Spaß macht mir das Tore schießen!“ Sein Mitspieler Maximilian hat vorm Fußball Judo ausprobiert. War ihm zu anstrengend. Trainer und Mannschaftspräsident Zimmermann übrigens weiß aus eigener Erfahrung am besten, dass sich jedes Kind sein Hobby selbst sucht und suchen soll: „Mein Sohn singt jetzt im Dom- und Staatschor. Dort immerhin gibt es im Vergleich zum Fußball nur Gewinner.“

(erschienen in: zitty Berlin, 25. Mai 2009, Sonderheft Familie, Seite 24)