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Der Wendler und sein Clan

Das Fernsehjahr 2010 meint es mal wieder gut mit Voyeuren und Geltungssüchtigen: Dieter Bohlen wirbt mit dem Spruch „So singet recht, sonst wird mir schlecht“ für die achte Staffel der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS), Köln-Hürth beherbergt für „Big Brother“ zum zehnten Mal eingesperrte Containerbewohner (Start: 11. Januar, 19 Uhr, RTL 2), bei „Bauer sucht Frau“ wird jetzt geheiratet. Und dann ist da noch eine so genannte Dokumentation über einen Kerl, von dem die Nation wirklich schon lange einmal wissen wollte, wie er hinter verschlossenen Türen so abgeht: Michael Wendler, der egozentrischste Schlagersänger seit der Erfindung des 3/4-Takts, führt in „Der Wendler-Clan“ vor laufenden Kameras den Bau seiner Prachtranch im heimischen Dinslaken, seine ebenso unglaubliche Familie und somit sich selbst vor. Eine Paraderolle.

Der König des Popschlagers

Erst die Dorfdiskos, dann die Aprés Ski-Hallen der Republik – der aufhaltsame Aufstieg des Michael Wendler (37) liest sich wie ein Drehbuch für ein Format, das wie eine Parodie auf „MTV Cribs“ anmutet und in erster Linie unterhalten will: Vor ein paar Jahren noch ist in Dinslaken, einer sonst so tristen Kleinstadt zwischen Ruhrpott und Niederrhein, auf Michael Wendler, diesen Möchtegern-Popstar, niemand gut zu sprechen. Wendler, so heißt es, beauftrage lokale Baufirmen und zahle die Rechnungen nicht. Dann kommen die Kredite und sein größter Hit. „Sie liebt den DJ“, ein Song wie ein Spiegelbild seines Urhebers.

„Der Wendler“, wie er sich selbst liebevoll in der dritten Person nennt, inszeniert sich selbst als sympathischen Self-Made-Man, dem die Frauen und das Glück zu Füßen liegen. Als einer, der es aus eigenem Antrieb geschafft hat. „Der Wendler-Clan“, erklärt Michael Wendler selbst gegenüber Bunte Online, „wird mich von einer persönlichen Seite zeigen, so dass die Menschen zum Beispiel sehen können, dass ich ein großer Familienmensch und bodenständig bin“. In der Sendung sieht man dann seine sehr blonde Ehefrau Claudia, seine Mutter (der Vater wollte nicht), seine Schwiegereltern – und seine Tochter, die wegen maßlosen Ärgers, den sie wegen eines verschütteten Kakao einstecken muss, schon mal in Frage stellt, warum ihre Eltern sie überhaupt bekommen haben. Sie kann einem leidtun.

Heute, so ist sich Wendler sicher, sind die Leute neidisch, „weil ich Sachen mache, die in unserer Gesellschaft verpönt sind, nämlich das zu zeigen, was ich mir erarbeitet habe. “ Vor der Baustelle seines zukünftigen Anwesens prangt ein Schild mit der Aufschrift: „Hier baut Michael Wendler – Der ,König des Popschlagers‘ – sein Märchenschloss.” Seinen Drang nach Öffentlichkeit und seine Selbstdarstellung in einer Stadt, die mit Monaco oder Beverly Hills so gar nichts gemein haben will, erklärt der Wendler im Bunte-Interview so: „Gerade in so einer Kleinstadt sollen die Leute sehen, dass man Träume verwirklichen kann.“

„Der Wendler-Clan“ lief seit 3. Januar 2010 jeden Sonntag um 19 Uhr auf SAT.1 und wurde mittlerweile abgesetzt.

(erschienen auf: BRASH.de, 4. Januar 2010)