Die 100 besten Alben des 21. Jahrhunderts (2000-2025)

1. Dezember 2025 | 0 Kommentare

Der Musikexpress kürte in seiner Ausgabe 12/2025 „Die 100 ultimativen Alben des Jahrhunderts“ von 2000 bis 2025. Ich habe mit abgestimmt und durfte zu zehn von ihnen Kurzrezensionen verfassen. Hier sind sie – als Texte sowie Schnappschüsse in Galerieform.

Platz 97:

Nina Chuba

Glas

24. Februar 2023

Mit „Wildberry Lillet“ landete die einstige Kinderdarstellerin 2022 den Sommerhit des Jahres. Ihr Debüt hielt dessen Versprechen: Auf chilligen Chart-Rap und Chuba als Deutschlands neuen Popstar einigten sich Kita-Kids, Gen Z, deren Eltern und die Branche gleichermaßen. Im Sommer tat GLAS gut und im Winter nicht weh.

Was danach geschah: Chuba blieb Popstar und TV-Liebling, wurde Podcasterin – und brachte im September 2025 ihr zweites Album heraus.

Platz 95:

Danger Dan

Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

26. März 2021

Mit dem viral gegangenen Titeltrack seines Solo-Klavieralbums gelang Antilopen-Gang-Mitglied Danger Dan ein weit über seine linke Szene hinaus gefeiertes wie diskutiertes, antifaschistisches Schelmenstück. Und mit „Lauf davon“ oder „Eine gute Nachricht“ mehr Grönemeyer-Feeling, als dem Punk im Deutschrap einstmals lieb gewesen sein dürfte.

Was danach geschah: Mit dem Nahostkonflikt-Kommentar „Oktober in Europa“ sorgte die Antilopen Gang 2024 wieder selbst für Kontroversen.

Platz 92:

Bon Iver

22, A Million

30. September 2016

Mit seinem Comeback nach fünfjähriger Auszeit legte Justin Vernon eine ähnliche Kehrtwende in Richtung Electro und Experiment hin, wie ihrerseits Radiohead mit KID A. Und zementierte seinen Ruf als talentiertester Songwriter seiner Generation.

Was danach geschah: Der Indie-Avenger: Features mit The National und Taylor Swift sowie bisher zwei weitere Alben-Kunstwerke folgten.

Platz 91:

Sufjan Stevens

Carrie & Lowell

31. März 2015

Abkehr vom Experiment, Rückkehr zum Lo-Fi-Folk: „Carrie & Lowell“ ist ein dramatisch intimes Konzeptalbum über Stevens’ verstorbene Mutter und seinen Stiefvater. Existentielle wie gefeierte Kleinode über Glaube, Geschichte, Reue, Trauer und Vergänglichkeit. Eine fast jenseitige Verhandlung von Leben und Tod. Fazit: „We’re all gonna die“.

Was danach geschah: Oscar-Nominierung. Tod seines Partners. Autoimmunerkrankung. Und 2025 die Aussage: „Ich schäme mich für ‚Carrie & Lowell‘. Es ist ein Beweis für kreatives und künstlerisches Versagen.“

Platz 90:

Bright Eyes

I’m Wide Awake, It’s Morning

25. Januar 2005

Folk, Country, Emo und Punkattitüde: Mit dem sechsten Album seines Bandprojekts Bright Eyes (und einem zeitgleich veröffentlichten Gegenstück) hievte Songwriter Conor Oberst Omaha und sein damaliges Label Saddle Creek kurzzeitig ins Zentrum des Indierock-Radars. Sogar Tourneen mit R.E.M. und Springsteen waren drin.

Was danach geschah: Nach neun Jahren „Hiatus“ fanden Bright Eyes 2020 wieder zusammen.

Platz 62:

Kanye West

My Beautiful Dark Twisted Fantasy

22. November 2010

Der Beginn des Hochmuts vor dem Fall – und kontemporärer HipHop at its greatest: Rapper, Produzent, Genre-Erneuerer und Geschäftsmann West glänzte hier noch mit Maximalismus, Wortwitz, Dekadenz, gigantischem Referenzkasten sowie dem Who-is-Who des Pop auf der Gästeliste.

Was danach geschah: MAGA-Support, Boulevard-Bullshit, Antisemitismus und Rassismus: „Ye“ schoss sich als untragbare Persona Non Grata selbst ins Aus. „Zum Glück“ riss die Qualität seines Outputs parallel dazu ab. Bipolare Störung oder gar Geniekult hin oder her.

Platz 59:

James Blake

James Blake

7. Februar 2011

Das Wunderkind des Post-Dubsteps und Electro-R’n’B. Nach drei EPs, den Vorschusslorbeeren für sein reduziertes Feist-Cover „Limit To Your Love“ und der Vorarbeit von Soundalikes wie The xx und Bon Iver rannte der damals 23-jährige Brite auch abseits der Clubs offene Türen ein und schloss mit seinem stilbildenden Debüt eine Lücke, die er seitdem konstant besetzt.

Was danach geschah: Auch fünf Alben später wurde keine Rampensau aus Blake. Als Produzent und Songwriter fungiert der Komponist im Hintergrund für Stars von Beyoncé über Jay-Z bis Rosalía.

Platz 57:

Kendrick Lamar

Mr. Morale & The Big Steppers

13. Mai 2022

Wer Ken, der kann: Nach einem Dutzend Grammys sowie dem Pulitzerpreis legt Conscious-Rap-Koryphäe Lamar ein heterogenes Doppelalbum nach, auf dem er nicht länger nur unserer abgefuckten Gesellschaft und ihren Gewalten, sondern auch sich selbst den Spiegel vorhält. Er verhandelt darauf Traumata, Therapie, Trauer, Transformation, Homophobie und seine eigene Widersprüchlichkeit. Sein Magnum Opus und ein „zutiefst problematisches Meisterwerk“, wie Kollegin Baghernejad seinerzeit befand.

Was danach geschah: Mit dem Disstrack „Not Like Us“ brach K.Dot 2024 etliche Rekorde. Das Niveau des darin gipfelnden Beefs mit Drake bescherte seiner Credibility dennoch Risse.

Platz 39:

Bon Iver

For Emma, Forever Ago

8. Juli 2007

Eine Entstehungsgeschichte, so unkaputtbar wie die eigentlich zerbrechlichen Kleinode auf Bon Ivers Debüt: In einer abgeschiedenen Winterhütte in Wisconsin nahm Justin Vernon mit nichts als einer Akustikgitarre, einem Computer und Autotune minimalen Indiefolk im Falsett auf. Herzschmerz zum Laben. „Skinny Love“ in Reinform. Wohlgleich: Es gehe auf dieser Platte mitnichten um eine Trennung, sagte ihr Schöpfer einst, sondern um Orte und Zeiten.

Was danach geschah: Grammy für den Nachfolger, Kanye-Koops: Fortan galt Vernon als Säulenheiliger im Singer-Songwriter-Olymp.

Platz 8:

SOPHIE

Oil Of Every Pearl’s Un-Sides

15. Juni 2018

Ein Debütalbum, so sperrig wie sein Titel. Kickstarter des Hyperpop.  Soundtrack eines jäh verebbten Klimas des Fortschritts. Und ein Befreiungsschlag für die britische Produzentin Sophie, die zuvor mit der Compilation „Product“ und ihrer Zusammenarbeit mit Charlie XCX für Furore sorgte. Sie sprach nun öffentlich über ihre Transgender-Identität. Ließ im Video zum ikonischen Opener „It’s Okay To Cry“ erstmals ihre eigene Stimme hören und ihr Gesicht sehen. Mit jedem der acht weiteren, surrealistischen Tracks schlug sie neue Finten. Deren übergeordnete Aussage: „Weinen ist okay, klar – aber hast Du auch mal Clubbing ausprobiert?“

„Faceshopping“ etwa klingt, als ob Trent Reznor und Aphex Twin auf dem CSD in einem Glashaus Squash spielen. „Is It Cold In The Water“ hätte auch Björk gestanden. „Infatuation“ öffnet eine neue Tür in diesem Labyrinth und knallt die vorherige zu. Der quirlig gepitchte Banger-Ansatz „Immaterial“ erinnert nicht nur textlich an Madonnas 80er-Dance-Pop, für die sie ebenfalls produzierte. „Sophie wird erst Popstar werden können, wenn sie im 22. Jahrhundert noch lebt“, befand Kollege Rehm Rozanes 2018. Drei Jahre später stürzte sie von einem Dach in Athen und starb. Den „BRAT“-Sommer 2024, benannt nach dem gleichnamigen Album des Jahres von Charlie XCX, erlebte sie nicht mehr mit. Ohne Sophies Vermächtnis hätte es ihn nicht gegeben.

Was danach geschah: 2022 widmete Charlie XCX das Album CRASH ihrer verstorbenen Freundin. Im September 2024 erschien posthum Sophies zweites Album, an dem sie vor ihrem Tod arbeitete. Kuratiert von ihrem Bruder.

Die Musikexpress-Ausgabe 12/2025 ist am 7. November 2025 erschienen.

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