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Pigalle, Pigalle

In meiner Straße macht ein Puff auf. Wieder, denn diesen Puff gab es schonmal. Seit 2005 stand er leer, unbewirtet, unbelebt, unsaniert. Kein romantisches Flackern der kaputten Leuchtreklame, die all die toten Jahre den gleichen Schriftzug trug: Pigalle Bar. Manchmal lief ich dort vorbei und fragte mich, wie das wohl damals hier war, in der Zeit, als der Kiez noch ein Arbeiterviertel war und dieser Billig-Puff florierte. Unten Table Dance, oben Privatzimmer. Szenen wie aus einem Roman von Ralf Rothmann. Dann tagträumte ich von meinem eigenen Laden. Kein Puff, versteht sich, eine Bar. Das müsste blind funktionieren, dachte ich. Denn die Lage im Herzen der Gegend, die schmerzfreie Zugezogene heute gerne als Kreuzkölln (für Nichtberliner: der Neologismus aus Kreuzberg und Neukölln) beschreiben, ist wie gemacht für ein anständiges Etablissement. Und wer schon in den Achtzigern durch die Namenswahl „Pigalle Bar“ einen Flair von Moulin Rouge nach Neukölln bringen wollte, der wusste schließlich, was er tut. Er wusste um das, nun ja, Potential dieser Gegend.

Noch sieht sie gemütlich und unschuldig aus: Pigalle Bar, 16 Uhr.

„Die Pigalle Bar war nie nur eine gewöhnliche Neuköllner Eckkneipe. Sie war immer schon, seit den Fünfzigern, eher ein Amüsierbetrieb“, sagt Felix Gerhardt. Felix ist 32, einer der beiden Geschäftsführer der neugegründeten Pigalle Bar GmbH und arbeitet eigentlich in einem Verlag. Eine eigene Bar gründen wollte er aber schon immer. Die fixe Idee stand schnell, die Location fand sich wie von selbst. Auch Felix wohnt in der Gegend und kannte die geschlossenen Räumlichkeiten. Als die Leute aus seinem Freundeskreis merkten, dass er es ernst meint, „da wollten plötzlich alle mitmachen“, erinnert sich Felix. 25 Mitbetreiber teilten sich so die Kosten aus privatem Kapital. „Reich wird hiermit keiner“, sagt er. Als Konsens mit der Hausverwaltung stand bald fest: Ein Café sollte es werden, eigentlich, der Charme des ehemaligen Etablissements aber beibehalten werden. Ein halbes Jahr dauerten die Bauarbeiten, das Geschoss musste kernsaniert werden. Außer einem alten Fensterrahmen, einem Reststück Tapete und der Leuchtreklame über der Eingangstür war von der alten Bar nichts mehr erhalten. „Der Name stand lange nicht fest“, sagt Felix. „Aber wir wären ja dumm, hätten wir diese Marke aufgegeben.“

Ein Hauch von Moulin Rouge

Die Pigalle Bar ist nicht allein. Im Umkreis von 500 Quadrametern existieren Bars wie der Raumfahrer, das Kinski, der Club 49, die Ankerklause, das Ringo, das Sanderstüb’l oder die Ausgehmeile Wiener Straße friedlich nebeneinander. Um die Ecke hat gerade ein Tapasladen aufgemacht, während der Späti unten bei mir im Haus fast immer gerade geschlossen hat. Wenn doch, grüßt mich sein Besitzer Mavi freundlich. Es passiert was in diesem Kiez. Deshalb bin ich vor einem Jahr aus Moabit weggezogen, wo angeblich schon seit Jahren bald was passiert. „Man kennt sich inzwischen“, sagt auch Felix über die Gegend. Die Taverna gegenüber liefert auf Bestellung griechische Bulette im Brötchen mit Senf in die Pigalle Bar. Freifutschi gibt es dort leider nicht, dafür eine Tanzstange auf der Theke.

„Der Laden muss laufen“, sagt Felix Gerhardt, „Rücklagen gibt es keine.“ Er hat allen Grund zum Optimismus, weil die Ausgangslage kaum besser sein könnte. Die Eröffnungsfeier am Samstagabend brummt, trübt aber den anfänglichen Charme: 25 Jungunternehmer mit offenen Hemden und blauen Schals erinnern eher an ein Klassentreffen einer Charlottenburger Burschenschaft, die rund 200 Gäste sind vermutlich von weit weg angereist. Es ist viel los auf den Straßen, auch wegen „48 Stunden Neukölln“ und wegen der WM. Ein neuer Simon-Dach-Kiez? Ich wäre ja mit daran schuld, glaubt man dem fragwürdigen Marketing im Newsletter der Kneipe „Freies Neukölln“. Darin, so wurde mir berichtet, hieß es einmal: „Jedes Bier, das Ihr hier trinkt, macht das nächste teurer.“

So oder so: Diese Ecke hat nicht etwa Potential, wie bestimmt vor Jahren schon ein schlauer Stadtplaner oder Puffbetreiber gesagt hat. Sie ist jetzt schon gut und lebenswert. Nicht für käuflichen Sex, aber für Bier und gute Gesellschaft. Noch fühle ich mich wohl hier.

10 Gedanken zu „Pigalle, Pigalle

  1. Wurde auch mal Zeit, das Ding stand ja jahrelang leer. Die Ecke ist toll. Gibts eigentlich noch das Kinski gegenüber?

  2. die pigalle-bar wurde doch von ca.10 leuten betrieben..oder

    echt mega-peinlich das die nur ein halbes jahr durchgehalten haben….die betreiber haben aber echt viele freunde und bekannte und scheinen ja sehr beliebt zu sein…hahaha

    mal gucken wie lange der weekend – global – player da durchhält …. die lesen alle zuviel zeitung … die vöge….möven, spatzen,tauben,schwalben,raben…die vögel kenn ick ja hier….aber spinner, die gattung ist neu !

    ich geh erst wieder in die pigalle bar wenn da wieder ein echter puff drin ist !

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