Conor Oberst im Interview über Todeswünsche, Respekt vor Taylor Swift, Beef mit seinem legendären Ex-Label Saddle Creek und das neue Album seiner Band Bright Eyes.
Von Pop bis Politik, von Taylor Swift bis Donald Trump: Indiefolksongwriter Conor Oberst aus Omaha kann über den Lauf der Dinge be- und aufrührende Lieder singen. 13 davon, teils sehr explizite, gar poppige finden sich auf dem elften Album seiner Band Bright Eyes. In einem wünscht er gar Elon Musk den Tod.
Für den MUSIKEXPRESS führte ich im Juli 2024 – und damit noch vor Kamala Harris‘ Kandidatur anstelle Joe Bidens und weit vor dem Sieg Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen 2024 – via Videocall ein Gespräch über Zufall und (Kunst-)Freiheit mit ihm, das auszugsweise in der im September erschienenen Oktober-Ausgabe sowie danach auf Musikexpress.de veröffentlicht wurde. Hier nun eine längere Version davon.
Eure neue Platte heißt FIVE DICE, ALL THREES. Wie ein perfekter Lauf in einem Glücksspiel.
Conor Oberst: Das Leben ist ein Spiel des Zufalls. Wir alle hoffen, dass etwas Gutes dabei rauskommt.
Du glaubst also nicht an Schicksal?
Ich glaube daran, dass wir alle metaphorisch gesprochen die Würfel werfen. Wir wissen nicht, was passieren wird. Wir könnten morgen von einem Bus überfahren werden. Es gibt keine Gewissheiten in dieser Welt. Viele Menschen stecken deshalb Glaube und Hoffnung in die Pläne, die sie machen. So läuft es aber nicht.
Euer Comebackalbum DOWN IN THE WEEDS, WHERE THE WORLD ONCE WAS nach neun Jahren Bandpause erschien 2020 kurz vor dem Ende von Donald Trumps erster Präsidentschaft. Euer Nachfolger erscheint kurz vor den wohl nächsten vier Jahren Trump. Gutes oder schlechtes Timing?
Es gibt einen weltweiten Anstieg von Faschismus, Rassismus und Nationalismus, auch hier in den USA. Dort wo ich groß wurde, wollten Menschen in einer Demokratie leben, die jede*n in der Gesellschaft repräsentiert. In der heutigen Realität wollen viele das nicht. Ich will in keiner Welt leben, in der „starke Männer“ dir diktieren wollen, was zu tun ist. Die als Machthaber Menschen dämonisieren, die anders als du selbst sind. Unglücklicherweise scheint das ein Charakter-Zug des Menschen zu sein: Wer Macht hat, will sie zum Ausdruck bringen.
So wie Du Deine Abneigung: „Bells And Whistles“ beginnt mit der Zeile „I was cruel like a president“. In „Hate“ heißt es „Bad guys always win“ und „Elon Musk / In virgin whites / I kill him in an alley over five dice.“
Ich hege keinerlei Sympathie für diesen Motherfucker. Er macht die Welt zu einem schlechteren Ort. Sein Reichtum stammt aus Blutgeld durch südafrikanische Diamanten und Sklavenhandel seiner Familie. Er hat niemals wirklich etwas selbst getan in seinem verdammten Leben. Er ist wie Steve Jobs. Ich hasse Steve Jobs. Sie alle werden als unsere Retter mit ihrem Tech-Bullshit dargestellt. Sie sind es nicht. Sie haben keine Moral.
Unter dem Safe Space der Kunstfreiheit kann Dein lyrisches Ich jemandem dem Tod wünschen.
Alles was ich sage und singe, spricht Conor Oberst, keine Kunstfigur!
Nach dem misslungenen Attentat auf Donald Trump sorgte ein deutscher Satiriker für Kontroversen, weil er auf X einen Post veröffentlichte, in dem er sich wünschte, der Schütze hätte Trump getroffen. Manche kommentierten: „Er sagt, was viele denken.“ Wäre das ein richtiger Weg gewesen, die bedrohte Demokratie retten – indem man sich über sie hinweg setzt?
Erstens: Nach der verlorenen Wahl 2020 hat Trump versucht, die demokratischen Mittel selbst zu übergehen. Er überzeugte seine Anhänger, dummes Zeug zu tun, damit er an der Macht bleiben kann. Es darf keinen Platz für politische Gewalt in Amerika geben. Zweitens hat Trump es ohnehin nicht verdient, als eine Art Märtyrer in die Geschichte einzugehen. Er soll sterben, während er in seiner Air Force One Kentucky Fried Chicken frisst, sich verschluckt und einen Herzinfarkt bekommt. Und so wird es kommen, da brauchen wir kein Attentat.
Sollten Musiker*innen sich grundsätzlich explizit politisch äußern? Taylor Swift tat es jahrelang nicht, dann aber doch – seitdem mag Trump ihre Musik „25 percent less“.
Sie ist cool. Ich kenne sie nicht persönlich. Aber ihre Karriere kommt mir wie eine absolut übertriebene Version meiner eigenen vor. Wir wollen als Songwriter unseren Weg gehen. Mein erstes Album etwa habe ich mit 13 oder 14 aufgenommen. Sie war kaum älter. Ich gebe ihr Credits dafür, dass sie an dem Punkt, an dem sie berühmter und einflussreicher als je zuvor wurde, darüber nachdachte, was sie der Welt geben will. Es gehört viel Mut dazu, dich auszudrücken auch auf die Gefahr hin, dass Fans oder Label rufen: Nein, tu das nicht! Tanz einfach nur weiter, sieh dabei gut aus und singe deine Lieder! Es gibt immer Leute, die weiter mit dir Geld machen wollen. Dass sie Dinge trotzdem aussprach, ist für mich Punkrock. Das beeindruckt mich.
Dass Donald Trump an KFC verrecken soll, könnte sie, anders als Du, trotzdem nicht sagen.
I don’t’ give a shit. Was soll er machen, mich umbringen? Klar: Je berühmter du bist, desto mehr steht auf dem Spiel. Du bringst schließlich buchstäblich Millionen Dollar zu all diesen Firmen. Im Vergleich zu ihr bin ich irrelevant. Es ist scheißegal, was ich sage.
Unter welchen Bedingungen hätten Bright Eyes denn eine ähnliche große Indierockband wie The National werden können, deren Gitarrist Aaron Dessner mit Swift schreibt und produziert und deren Sänger Matt Berninger auf Eurem neuen Album als Gast zu hören ist?
Wir haben Entscheidungen als Band getroffen, die nicht die besten waren, wenn unser Hauptziel gewesen wäre, möglichst reich und berühmt zu werden. Wir haben einen für uns okayen Weg gefunden. Wir machen weiterhin Platten. Ich sitze gerade in meinem Garten, mein Studio liegt ein paar Meter den Hang hoch, dahinter führt ein Weg zum Haus von Mike Mogis (Bright-Eyes-Multiinstrumentalist, Anm.). Damals haben wir durchaus ganz gutes Geld verdient. Statt teurer Autos kauften wir neues Equipment und unterstützten die Musik unserer Freunde. Ich glaube also nicht, dass wir Fehler gemacht haben. Maximale Berühmtheit war uns bloß nie wichtig. Wir kümmerten uns nie um Streaming-Algorithmen und dergleichen. Ich habe viele Freunde, die viel berühmter als ich sind, aber ich bereue nichts. Wir können von unserer Musik leben, gehen auf Tour. Ich will jetzt nicht wie Oasis klingen, aber: Ich finde uns immer noch cooler als viele andere Bands da draußen.
“I never thought I’d see 45,” singst Du in „Bas Jan Ader“, jetzt stehst Du unmittelbar davor. Was sollen die nächsten 45 Jahre bringen?
Ich habe keine Pläne. Ich will weiterhin mein Ding machen und am Leben bleiben. Die Musikindustrie hat mich in vielerlei Hinsicht entzaubert. Ich veröffentliche schon seit so langer Zeit Platten, dass dies für mich nicht mehr der interessanteste Punkt ist. Vielleicht fange ich ein neues Hobby an. Ich liebe meine Freunde und Familie, meinen Hund und meinen Hinterhof. Ich habe nicht mehr die Ambition, die ich in jüngeren Jahren hatte. Ich will niemandem mehr etwas beweisen. Das ist eine neue Form von Freiheit. Ich will immer noch Musik machen, auf die ich stolz bin, und wir müssen unsere Rechnungen bezahlen. Mich beschäftigt aber vielmehr die Frage: Wie lange kann uns diese Gratwanderung gelingen? Leute wie Neil Young, in ihren 70ern, die künstlerisch immer noch das machen, was sie wollen – da will ich hinkommen, sein und bleiben.
Die vergangenen zehn Jahre haben Dir gezeigt, dass man auch Tiefs durchsteht: Dir wurde – schlussendlich haltlos – sexueller Missbrauch vorgeworfen. Du und Deine Frau ließen sich scheiden. Dein älterer Bruder starb. Und trotzdem stehst Du hier.
Die Vorwürfe waren surreal und psychotisch, die Zeit stressig und schmerzhaft. Das ist nicht nur ein Angriff auf deine Karriere, sondern auch auf deine Person. Du fragst dich, wer du bist. Ich fragte mich: Wie konnte ich jemals auf dieser Erde leben, mit all diesen Menschen interagieren, und dann kommt eine verrückte Person daher, sagt etwas über mich im Internet und alle glauben es? Das kam mir so unecht vor, es fuckte mein Gehirn ab. In so einer Welt wollte ich nicht leben.
Hast Du die Beschuldigende jemals getroffen?
Nein. Aber ich erfuhr unter anderem von Anwälten viel über ihr trauriges Leben.
Konntest Du irgendetwas Positives aus dieser Erfahrung ziehen?
Ich weiß nicht, ob solche Vorwürfe irgendetwas Gutes mit sich bringen. Aber ich fand schnell heraus, wer in meinem beruflichen und privaten Umfeld meine wirklichen Freunde waren. Wer mich wirklich kannte und wer mich aus Bequemlichkeit lieber unter den Bus warf.
Du warst in dieser Phase auch ohne Bright Eyes musikalisch umtriebig und produktiv. Warum dann doch wieder deine alte, auf Eis gelegte Band?
Der einfache Grund lautet: Ich habe Mike und Nate (Walcott, Anm.) vermisst. Es existiert eine besondere Magie zwischen uns. „Fuck it, lets do it again“, dachte ich. Niemand drängte uns in diese Richtung. Es gab keine Strategie-Meetings. Es ging allein darum, dass ich mit diesen zwei Typen, zwei meiner besten Freunde, wieder Musik machen wollte. Zum Glück wollten sie auch. Wir machten ein Album, weil dies das einzige ist, von dem wir wirklich wissen, wie es geht. Und nun halt noch eines.
Das wieder nicht bei Saddle Creek Records erscheint, sondern bei Dead Oceans. Was ist da los?
Saddle Creek fiel auseinander. Das Label existiert noch. Aber alles begann mit meinem Bruder Justin, mir und unserem Kumpel Ted Stevens auf dem Dachboden des Hauses meiner Eltern. Von dort aus wuchs es und wurde schließlich kooptiert von einem Freund von uns. Wir dachten, es sei eine Art kollektive, kommunistische sozialistische Bewegung mit Musik. Schnell aber kam es anders. Ein Typ, der dieses Label nicht mitbegründete, besaß es plötzlich. THE PEOPLE’S KEY 2011 erschien noch dort, schon davor aber veröffentlichte ich bei Merge Records, Nonesuch und Co. Ich habe diesen Scheiß beendet. Die Leute hinter der Secretly Group und Dead Oceans kenne ich seit Ewigkeiten. Auch Phoebe (Bridgers, Anm.) und ich brachten unser Album dort heraus. Ich wusste also, wie sie arbeiten.
Eure dortigen Reissues erinnerten auch an einen berühmten Taylor-Swift-Move.
Sowas wollte ich eh schon lange Zeit machen. Ich fand und finde: Unsere alten Songs sind besser als unsere Aufnahmen. Ich wollte sie also so aufnehmen, wie sie mir heute besser gefallen würden. Das war das Konzept. Wir machten das mit dem kompletten Backkatalog, weil wir mit Saddle Creek und all dem Bullshit durch waren.
Eine so florierende Indieszene, wie sie Omaha in den Nullern dank Euch nachgesagt wurde, existiert dort vermutlich auch nicht mehr?
Es ging damals mit drei Bands los: Bright Eyes, Cursive und The Faint. Die meisten Mitglieder von The Faint leben nicht mehr in Omaha, aber sie geben hier bald ein Konzert und proben dafür gerade in meinem Keller! Seit vier Tagen sind sie täglich um 11 Uhr vormittags mein Wecker – und klingen großartig! Seitdem denke ich oft: Ach, eigentlich ist doch alles okay. Meine ältesten, coolsten Freunde üben in meinem Keller, Matt Maggin, mein Manager und Bassist von Cursive, sowie Tim Kasher, der Sänger, all die Leute, die damals beim Label mitmachten, wir alle sind immer noch total eng verbunde. Wir mussten nur die Bande mit denen trennen, die unser Label übernahmen. die eigentlichen Homies von früher sind immer noch cool miteinander. Darauf bin ich stolz. Das hätte auch anders kommen können.
Conor Oberst (geb. 1980) aus Omaha, Nebraska feierte Anfang der Nuller Jahre und nach Tourneen mit R.E.M., Bruce Springsteen und Neil Young mit seinem Projekt Bright Eyes seinen Indie-Durchbruch als hoffnungsvoll-verquertester Songwriter seiner Generation. 2011 legten er, Nate Walcott und Mike Mogis die Band auf Eis. Oberst brachte Soloalben, eine zweite Platte des Punk-Projekts Desaparecidos und mit Phoebe Bridgers eine als Better Oblivion Community Center heraus. Bright Eyes‘ FIVE DICE, ALL THREES ist am 20. September 2024 erschienen.
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